BGH: Sexueller Missbrauch auch bei Einverständnis des Opfers
BPtK begrüßt größeren Opferschutz
Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses (§ 174c Strafgesetzbuch) ist grundsätzlich auch dann strafbar, wenn das Opfer in die sexuellen Handlungen einwilligt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem gerade veröffentlichten Grundsatzurteil vom 14. April 2011 (Aktenzeichen 4 StR 669/10) klargestellt. Das Landgericht Münster hatte den Angeklagten zunächst mit der Begründung freigesprochen, dass das Opfer mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen einverstanden gewesen sei und schon deshalb kein Missbrauch vorliege.
In dem entschiedenen Fall hatte der Angeklagte, der aufgrund einer Heilpraktikererlaubnis tätig war und sich selbst als „Schamane“ bezeichnet, das Opfer gegen starke Rückenschmerzen „behandelt“ und dabei zum Geschlechtsverkehr veranlasst. Das Opfer war damit einverstanden gewesen und hatte sich nach eigener Aussage „geborgen und ganz entspannt“ gefühlt.
Der BGH hob nun den Freispruch auf und machte deutlich, dass sich an der Strafbarkeit durch ein Einverständnis des Opfers nichts ändert. Ein Missbrauch scheidet danach nur dann aus, wenn im konkreten Fall neben dem Einverständnis weitere Umstände hinzukommen, die einen Missbrauch ausschließen. Als Beispiel dafür nannte das Gericht einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Ehepartner oder Lebensgefährten während eines Betreuungsverhältnisses. Wenn der Täter aber wie in vorliegenden Fall vorgibt, die sexuellen Handlungen seien medizinisch notwendig oder Teil der Therapie, liegt ein Missbrauch auch dann vor, wenn das Opfer mit dem Sexualkontakt einverstanden war.
„Sexuelle Handlungen während einer Behandlung bedeuten einen Missbrauch der therapeutischen Beziehung zum Schaden der Patientin“, erklärte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Der Gesetzgeber hat sie daher zu Recht unter Strafe gestellt. Deswegen war die Rechtsprechung einiger Gerichte nicht nachvollziehbar, wonach sich die Täter einer Bestrafung durch den Hinweis auf ein Einverständnis entziehen konnten. Die nun erfolgte Klarstellung durch den BGH war dringend nötig.“
Veröffentlicht am 30. Mai 2011