Bundesverwaltungsgericht
Wissenschaftliche Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens erfordert Wirksamkeitsnachweis
Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig hat am 30. April entschieden, dass die Zulassung eines Psychotherapieverfahrens zur vertieften Ausbildung einen nachprüfbaren Beleg der Wirksamkeit erfordert.
Das Gericht hob in seiner Entscheidung hervor, dass es nicht ausreiche, wenn ein psychotherapeutisches Verfahren in der Fachdiskussion Resonanz gefunden habe und in der Praxis angewandt werde. Psychotherapie sei gesetzlich definiert als Heilung von seelischen Störungen mit Krankheitswert mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren. Die Anwendung von möglicherweise wirkungslosen oder gar schädlichen Therapieverfahren könne nicht dazugehören. Die Beschränkung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren diene neben der Verhinderung von Missbrauch auch der Absicherung der Qualität der psychotherapeutischen Ausbildung. Damit hebe sich das Berufsbild des Psychotherapeuten von der Ausübung der Psychotherapie durch Heilpraktiker mit beliebiger Vorbildung ab.
Das BVG hat damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte über die Zulassung einer Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie für Gesprächspsychotherapie entschieden. Die beklagte Behörde hatte die Zulassung versagt, weil die Wirksamkeit der Gesprächspsychotherapie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht wissenschaftlich belegt sei. Die Behörde stützte sich dabei auf Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBP). Das Oberverwaltungsgericht Münster hielt die Zulassung eines Psychotherapieverfahrens jedoch auch dann für möglich, wenn das Verfahren in der Fachdiskussion Resonanz und in der Praxis eine gewisse Verbreitung gefunden habe. Außerdem sei die Wirksamkeit der Gesprächspsychotherapie bei Erwachsenen nachgewiesen. Gleiches müsse deshalb für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gelten.
Das BVG wies darauf hin, dass der Gesetzgeber zur Begutachtung der wissenschaftlichen Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens in Zweifelsfällen den WBP vorgesehen habe. Die Gutachten des WBP kämen einem antizipierten Sachverständigengutachten gleich. Bei einer erneuten Entscheidung werde das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob dem Gutachten des WBP durchgreifende tatsächliche Gründe entgegenstehen, ansonsten sei die Einschätzung des WBP zugrunde zu legen.
Das Gericht machte weiterhin deutlich, dass aus der wissenschaftlichen Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens bei Erwachsenen nicht auf die Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen geschlossen werden könne. Auch der Gesetzgeber habe zwischen diesen beiden Altersgruppen unterschieden, indem er zwei Berufe und zwei Ausbildungswege definiert habe: den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten und den des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.
Veröffentlicht am 04. Mai 2009