Depressionen häufiger und schneller behandeln
11. Europäischer Depressionstag legt Fokus auf die Familie
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. „In Deutschland wird jedoch höchstens die Hälfte der depressiv Erkrankten diagnostiziert und davon wiederum höchstens die Hälfte innerhalb von drei Monaten ausreichend behandelt“, stellte Prof. Dr. Detlef E. Dietrich, Ärztlicher Direktor der Burghof Klinik in Rinteln, anlässlich des 11. Europäischen Depressionstags zum 1. Oktober 2014 fest. „Psychisch kranke Menschen brauchen deshalb ein besseres niedrigschwelliges Angebot“, forderte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Eine psychotherapeutische Sprechstunde könnte schneller klären, ob und woran ein Patient erkrankt ist und welche Hilfe er benötigt.“
Der diesjährige Europäische Depressionstag steht unter dem Thema „Depression und die Familie“. Die Familie kann sowohl ein Risiko- als auch ein schützender Faktor bei der Entstehung von Depressionen sein. Genetische Veranlagung, der Erziehungsstil und das Erlernen von Verhaltens- und Konfliktlösungsstrategien haben einen bedeutsamen Einfluss auf den späteren Umgang mit belastenden Situationen. Die Familie kann aber auch emotional unterstützend wirken und so vor einer depressiven Erkrankung schützen. Die Einbeziehung der Familie ist daher wesentlicher Aspekt in der Versorgung depressiv erkrankter Menschen.
„Die Kinder depressiver Väter oder Mütter haben ein deutlich höheres Risiko, selbst an einer Depression zu erkranken“, erklärte BPtK-Präsident Richter. Die Säuglingsforschung habe gezeigt, dass die Feinabstimmung zwischen Mutter und Kind durch eine depressive Erkrankung empfindlich gestört werden könne. Später, im Alter von 10 bis 12 Jahren, komme es häufig zu einer Rollenumkehr, in der die Kinder sich um die Erkrankung der Eltern sorgten und viel zu früh Verantwortung in der Familie übernähmen. „Die Kinder psychisch kranker Eltern sind daher eine wichtige Zielgruppe, die mit dem Präventionsgesetz adressiert werden sollte, das derzeit vom Gesetzgeber vorbereitet wird“, erklärte Richter.
„Rund 70 Prozent der Patienten mit Depressionen wenden sich zuerst an ihren Hausarzt“, berichtete Dr. Cornelia Goesmann, Vorstand des Deutschen Hausärzteverbandes in Niedersachsen. „Anlass für ein erstes Gespräch seien aber häufig immer noch Kopf- und Rückenschmerzen oder Schlafstörungen. Den Hausärzten komme deshalb bei der frühen Diagnostik und der Koordination der anschließenden Behandlung durch Psychotherapeuten und Fachärzte eine hohe Bedeutung zu.
Dr. Christine Rummel-Kluge stellte als Geschäftsführerin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe drei niedrigschwellige Angebote vor, die einen Beitrag zur Prävention, Früherkennung und niederschwelligem Zugang zur Versorgung bei depressiven Erkrankungen leisten sollen: ein Online-Diskussionsforum für Erwachsene, das fachlich moderiert werde und dem Austausch zwischen Betroffenen, aber auch zwischen Angehörigen und fremden Betroffenen diene, ein Jugendforum Depression (fidelio) und ein bundesweites Infotelefon Depression, das insbesondere die Vermittlung von professionellen Ansprechpartnern zur Aufgabe habe.
Veröffentlicht am 26. September 2014