Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung schließen
SVR Gesundheit für intensivere ambulante Versorgung schwer psychisch kranker Menschen
Zwischen 20 und 30 Prozent der psychisch kranken Menschen, die in Krankenhäusern behandelt werden, könnten auch ambulant behandelt werden, wenn es außerhalb der Kliniken zusätzliche intensivere Angebote gäbe. Das stellt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) in seinem Gutachten 2018 fest, das heute in Berlin veröffentlicht wurde. Dabei sieht der SVR Gesundheit insbesondere Verbesserungspotenzial für Menschen, die aufgrund der psychischen Erkrankung in ihrer Selbstständigkeit stark beeinträchtigt sind. Aber auch Patienten, die in ihrem Alltag nicht so stark eingeschränkt sind, könnte durch eine hochfrequente Psychotherapie mit mehreren Stunden wöchentlich wirksam geholfen werden, ohne dass sie dafür in ein Krankenhaus müssten. Dies sei auch umso angemessener, weil sie in den Kliniken häufig auch keine intensivere Behandlung als in psychotherapeutischen Praxen bekämen.
Eine intensive ambulante Versorgung müsste verschiedene Leistungen beinhalten, so der SVR Gesundheit. Dazu gehörten psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, Ergo- und Soziotherapie sowie psychiatrische Krankenpflege. Diese Leistungen müssen dem Patienten koordiniert und aus einer Hand angeboten werden. Die „stationsäquivalente Behandlung“, die Krankenhäuser seit dem 1. Januar 2018 erbringen können, reiche nicht aus. Bisher zeigten auch nur wenige Krankenhäuser überhaupt Interesse, solche Leistungen anzubieten. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/DIE GRÜNEN geht hervor, dass bisher nur etwa 10 Krankenhäuser in der Lage sind, stationsäquivalente Behandlungen durchzuführen. In einer Befragung gaben die psychiatrischen Krankenhäuser selbst an, dass diese Art von Home Treatment nur für eine kleine Gruppe von Patienten für geeignet gehalten wird. Aus Sicht des SVR Gesundheit erreichen stationsäquivalente Leistungen zudem weniger Patienten, deren Krankheit sich ambulant verschlechtert, sondern eher Patienten, die bereits stationär behandelt werden.
Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert deshalb seit Langem, die gesetzlichen Grundlagen für einen flächendeckenden Aufbau einer koordinierten, ambulanten Versorgung von psychisch kranken Menschen mit komplexem Behandlungs- und Unterstützungsbedarf zu schaffen. Psychotherapie muss fester Bestandteil dieser Versorgungsangebote werden.
Veröffentlicht am 26. September 2018