Prävalenz stärker gewichten
BPtK zum Gutachten des "Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs"
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt das Gutachten des "Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs". Seine Vorschläge hält die BPtK grundsätzlich für zielführend.
Die BPtK regt bei folgenden Punkten eine Feinjustierung an:
Der Risikostrukturausgleich soll den Solidarausgleich zwischen gesunden und kranken Versicherten gewährleisten. Entscheidend ist deshalb, dass besonders häufige und teure Krankheiten im finanziellen Ausgleich zwischen den Kassen berücksichtigt werden. Die BPtK schlägt deshalb vor, die Prävalenz der Krankheiten nicht logarithmisch zu gewichten, sondern nach anderen statistischen Verfahren zu suchen und u. U. auf klinischen Sachverstand zurückzugreifen.
Der Wissenschaftliche Beirat benennt die vom Gesetzgeber vorgegebenen 80 Krankheitsgruppen auf der Basis eines amerikanischen Klassifikationssystems, das ICD-10-Kodes unter klinischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu DxGruppen zusammenfasst. Die BPtK schlägt vor, das amerikanische Klassifikationssystem bei psychischen Krankheiten weiterzuentwickeln, um es an die Versorgungsrealität im deutschen Gesundheitssystem besser anzupassen.
Das Klassifikationssystem der Firma DxCG fasst Depressionen nicht zu einer DxGruppe zusammen, sondern ordnet die leichten und mittelschweren depressiven Episoden sowie die Dysthymie einer eigenen DxGruppe 269 zu. Diese Differenzierung ist angesichts der diagnostischen Überlappungen und Komorbiditätsmuster bei Depressionen klinisch nicht nachvollziehbar. Die logarithmische Gewichtung der Prävalenz führt außerdem im zweiten Schritt dazu, dass leichte und mittelschwere Depressionen nicht in der Liste der 80 Krankheiten zu finden sind, die im neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich zu berücksichtigen sind. Dies entspricht nicht der Relevanz depressiver Erkrankungen in der Versorgung. Die Einjahresprävalenz für leichte Depressionen beträgt 1,0, für mittelschwere 1,7, für schwere 1,6, für rezidivierende 4,0 und für Dysthymie 3,0 Prozent.
Fachlich nicht nachvollziehbar ist ebenfalls, dass das amerikanische Klassifikationssystem Angststörungen, trotz ihrer Homogenität hinsichtlich der Ätiologie, Symptomatik und Behandlungsmöglichkeiten, insgesamt fünf verschiedenen DxGruppen zuordnet. Hinzu kommt, dass sich Angststörungen häufig mit affektiven Störungen diagnostisch überlappen und zusammen auftreten (Komorbidität). 45 Prozent aller Patienten mit einer depressiven Störung sind auch an einer Angststörung erkrankt. Umgekehrt haben ein Drittel der Patienten mit einer Angststörung auch eine depressive Störung. Ferner werden bei beiden psychischen Störungen zu einem großen Teil die gleichen Arzneimittelwirkstoffe eingesetzt (ATC: N06A). Die BPtK hält es deshalb fachlich für angebracht, eine gemeinsame DxGruppe "Angststörungen" oder "Angststörungen und Affektive Störungen" zu bilden.
Die BPtK begrüßt schließlich die Anregung des Wissenschaftlichen Beirats an den Gesetzgeber, bei der Berechnung des Schwellenwertes eine Altersadjustierung vorzunehmen. Ohne diese Altersadjustierung werden häufige Krankheiten, die vor allem im Kindes- und Jugendalter auftreten - wie z. B. die Aufmerksamkeitsstörung, systematisch unterbewertet.
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Veröffentlicht am 05. Februar 2008