Psychotische Erkrankungen sind Indikation für Psychotherapie
Änderung der Psychotherapie-Richtlinie in Kraft getreten
Internationale Leitlinien empfehlen schon seit Längerem, dass Patienten mit einer Schizophrenie in allen Phasen der Erkrankung eine psychotherapeutische Behandlung angeboten werden soll. Bei Patienten mit einer bipolaren Störung empfiehlt die S3-Leitlinie „Bipolare Störungen“ dies insbesondere für die akute depressive Phase. Dieser Forschungsstand findet sich jetzt auch in den Vorgaben zur ambulanten Psychotherapie in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wieder. Psychotherapie ist nunmehr bei einer Schizophrenie, schizotypen oder wahnhaften Störungen sowie bei einer bipolaren affektiven Störung uneingeschränkt indiziert. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss am 16. Oktober 2014 die entsprechende Änderung der Psychotherapie-Richtlinie, die zum 30. Dezember 2014 in Kraft getreten ist.
Psychotherapie ist ein unerlässlicher Bestandteil der evidenzbasierten Versorgung einer Schizophrenie. Zahlreiche klinische Studien konnten die Wirksamkeit der Psychotherapie auch in der akuten Phase der Erkrankung und bei andauernden („persistierenden“) psychotischen Symptomen belegen. In der ambulanten wie auch in der stationären Versorgung fand dieser Kenntnisstand jedoch bislang keine hinreichende Berücksichtigung. Trotz der Schwere der Erkrankung war diese Patientengruppe in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung bislang unterrepräsentiert. Gegenwärtig machen diese Patienten nur etwa ein Prozent aller ambulanten Psychotherapiepatienten aus. Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass die bisherigen Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie die Möglichkeiten der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung zu sehr einschränkten.
Die Psychotherapie-Richtlinie sah bislang vor, dass Psychotherapie nur bei psychischer Begleit-, Folge- oder Residualsymptomatik psychotischer Erkrankungen angewendet werden darf. Diese begrenzte Indikationsbeschreibung in § 22 Absatz 2 der Psychotherapie-Richtlinie hatte entsprechend den Zugang für die betroffenen Patienten zur ambulanten Psychotherapie erschwert. Erschwerend kam hinzu, dass der „Kommentar Psychotherapie-Richtlinien“ von Faber und Haarstrick, der vielfach als Auslegungshilfe für die Bestimmungen der Psychotherapie-Richtlinie genutzt wird, hierzu fälschlicherweise ausgeführt hatte, dass „die Behandlung von Psychosen als eigenständiges Krankheitsbild weder in das Fachgebiet des ärztlichen noch in das des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“ falle. Diese seien laut Kommentar „nur zur Behandlung von Symptomatik, die sekundär im Gefolge einer psychotischen Erkrankung auftritt, berechtigt.“ Auch die aktuelle 10. Auflage des Kommentars Psychotherapie-Richtlinien, die im Oktober 2014 erschienen ist, hat an dieser Stelle noch keine Anpassung an die aktuelle Rechtslage und den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erfahren.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte sich im Mai 2012 aufgrund der einschlägigen Leitlinienempfehlungen zur Psychotherapie psychotischer Erkrankungen gemeinsam mit dem Dachverband Deutschsprachiger PsychosenPsychotherapie (DDPP) an den G-BA gewandt und auf eine evidenzbasierte Weiterentwicklung der Indikationsbeschreibung in der Psychotherapie-Richtlinie gedrungen. Die gemeinsame Initiative mündete nach mehreren Stellungnahmen schließlich in die erforderliche Änderung der Indikationsbeschreibung in § 22 Absatz 2 der Psychotherapie-Richtlinie.
Links:
Psychotherapie-Richtlinie (Stand: 3. Januar 2015)
Beschluss des G-BA zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie § 22 Absatz 2 Nummer 4
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Veröffentlicht am 06. Februar 2015