RTL unter Druck: Familienministerium prüft Gesetzeslücken
Unternehmen ziehen TV-Spot zurück - KJM urteilt: "ethisch und pädagogisch unverantwortlich"
RTL gerät wegen seiner Dokusoap "Erwachsen auf Probe" weiter unter Druck. Die Politik prüft die gesetzlichen Möglichkeiten, zukünftig Säuglinge und Kleinstkinder bei Film- und Fernsehproduktionen besser zu schützen. Die Werbewirtschaft wendet sich von der kritisierten Serie ab.
Die schleswig-holsteinische Gesundheits- und Sozialministerin Dr. Gitta Trauernicht forderte, im geplanten Kinderschutzgesetz Regeln aufzunehmen, "um einer solchen perfiden Form der Instrumentalisierung von Kindern und Säuglingen den Riegel vorzuschieben."
Das Bundesfamilienministerium prüft, inwieweit das Jugendarbeitsschutzgesetz geändert werden muss, um den Schutz von Säuglingen und Kleinkindern zu verbessern. Nach dem Bundesfamilienministerium bedarf die Einbeziehung von Säuglingen und Kleinkindern "einer besonderen Bewertung". Sie befänden sich noch in der Hochphase ihrer Bindungsentwicklung und bräuchten stabile und verlässliche Beziehungen und keine Experimente. "Vor diesem Hintergrund ist das Format von RTL nicht nur höchst problematisch sondern inakzeptabel."
Das Bundesarbeitsministerium verweist auf die Jugendhilfe. Obwohl die Säuglinge in der RTL-Dokusoap aus ihren vertrauten Lebenssituationen herausgerissen wurden und als Akteure in gesundheitsgefährdenden Drehsituationen benutzt werden, liegt nach Ansicht des Ministeriums keine Beschäftigung vor. Die BPtK hatte angesichts der RTL-Dokusoap "Erwachsen auf Probe" eine Lücke im Jugendarbeitsschutzgesetz kritisiert, das bei Säuglingen und Kleinstkindern bis drei Jahren nicht greift.
Der gesundheitsgefährdende Umgang von RTL mit seinen Darstellern zeigt auch erste Reaktionen bei den Werbekunden des Kölner Senders. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat sich die Firma IKEA entschlossen, keine Werbespots mehr in "Erwachsen auf Probe" zu platzieren. Bei der Ausstrahlung habe sich das kritische Potenzial der Sendung gezeigt. Daher distanziere sich das Unternehmen von dem Format. Nach einem Bericht von SPIEGEL ONLINE haben bereits zehn Unternehmen ihre Werbung zurückgezogen, darunter der Süßwarenhersteller Storck und der Lebensmitteldiscounter Lidl. Der RTL-Vermarkter IP Deutschland bestätigte, dass eine Handvoll Kunden ihre Spots nicht mehr in der Sendung "Erwachsen auf Probe" platziert haben möchte.
Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) verbot nicht die weitere Ausstrahlung der RTL-Dokusoap. Die KJM sei ausdrücklich nur für die Inhalte, die auf dem Bildschirm zu sehen sind, und nicht für die Produktionsbedingungen zuständig. Sie sehe keine Gefahren und Risiken für Kinder und Jugendliche als Zuschauer. Die KJM kritisierte die erste Doppelfolge von "Erwachsen auf Probe" jedoch als "ethisch und pädagogisch unverantwortlich". Säuglinge würden für dramaturgische Effekte eingesetzt, ohne echte und umfassende Hilfe von Vertrauenspersonen aus ihrem familiären Umfeld zu erhalten.
Veröffentlicht am 18. Juni 2009