Verfassungsrichter fordern präziseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern
Engere Grenzen für staatliche Überwachung notwendig
Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. April 2016 entschieden, dass die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Abwehr des internationalen Terrorismus teilweise verfassungswidrig sind und einen präziseren Schutz von Berufgeheimnisträgern gefordert (Az.: 1 BvR 966/09).
Gegen das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG), das am 12. November 2008 mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU und SPD im Bundestag verabschiedet wurde, hatte neben Journalisten, Rechtsanwälten, einem Arzt und Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch der Psychotherapeut und ehemalige Präsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Jürgen Hardt, Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Mit dem Gesetz erhielt das BKA weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Wohnraum und Telekommunikation. Diese Befugnisse greifen weit in die Privatsphäre des Bürgers ein. Deshalb unterliegen sie nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hohen Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit. So müsse es besondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie einen hinreichenden Schutz von Berufsgeheimnisträgern geben. Mit seinem Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das BKAG diesen Anforderungen zum Teil nicht genügt. Es forderte flankierende rechtsstaatliche Absicherungen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
Das BKAG sieht nur vor, dass eine Überwachung, die sich gegen Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete richtet, in keinem Fall zulässig ist. Für alle anderen Berufsgeheimnisträger, z. B. für Psychotherapeuten und Ärzte, fehlt ein solch absoluter Schutz. Bei ihnen kann das Bundeskriminalamt im Einzelfall abwägen.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist schon der einseitige Schutz von Strafverteidigern und nicht von allen Rechtsanwälten verfassungswidrig. Das Gericht betont ferner, dass Gespräche, in denen es Einzelnen gerade ermöglicht werden soll, ein Fehlverhalten einzugestehen oder sich auf dessen Folgen einzurichten, in die höchstpersönliche Privatsphäre fallen und damit dem Staat absolut entzogen sind. Dazu gehörten vertrauliche Gespräche mit einem Strafverteidiger, aber auch mit einem Psychotherapeuten. Das Gericht fordert diesen Schutz wirksamer und "normenklar zu gewährleisten".
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert, dass in dem nun notwendigen Gesetzgebungsverfahren allen Berufsgeheimnisträgern, insbesondere den Psychotherapeuten, der absolute Schutz zugestanden wird. Die Möglichkeit, das psychotherapeutische Gespräche durch das BKA überwacht werden, gefährdet das grundlegende Vertrauensverhältnis zwischen Psychotherapeut und Patient. Psychotherapeutische Gespräche gehören in die höchstpersönliche Privatsphäre, stellt die BPtK fest. Ein absoluter Schutz vor Überwachung sei deshalb auch für Psychotherapeuten als Berufsgeheimnisträger notwendig.
Veröffentlicht am 29. April 2016