Länderberichte
In Belgien wird auf dem Produkt bildlich auf die Gefahren des Alkoholkonsums für Schwangere hingewiesen. Nachahmenswert erscheint die Vorgehensweise zur Früherkennung: Ein Arzt kann einen Patienten, bei dem er Probleme mit zu hohem Alkoholkonsum vermutet, gezielt an eine eintägige Beratung und Vorsorgeuntersuchung verweisen. Die Autoren des Berichtes, Dr. Salvatore Campanella und Dr. Hendrik Kajosch vom Centre Hospitalier Universitaire Brugmann in Brüssel, betonen die zentrale Bedeutung der Veränderung kultureller Muster. „Trinken hat ein positives öffentliches Image und wird in Belgien gesellschaftlich akzeptiert, der Konsum von Starkbier wird als Zeichen der Männlichkeit beworben: ‚If you can’t beer it, you are not strong enough’”.
In Bulgarien werden per Gesundheitsgesetz ein Prozent der staatlichen Einnahmen aus Tabakerzeugnissen und alkoholischen Getränken zur Finanzierung nationaler Programme zur Eindämmung des Rauchens und des Alkoholmissbrauchs eingesetzt. Die Behandlung der Alkoholsucht sei in vielerlei Hinsicht problematisch, so Svetlana Nikolova, Koordinatorin des Teams der Nationalen Drogen-, Alkohol- und Glücksspielhelpline Bulgariens und PhD Svetlana Velkova, Klinische Psychologin an der Fracarita Bulgarien, einem Verein für die Rehabilitation von Abhängigen. Es gebe z. B. zu wenig Mittel, nur sehr wenige Alkoholiker erhielten eine psychologische Beratung, es herrsche Personalmangel. Die Autorinnen verweisen auf die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Alkohol. „Man fragt sich in Bulgarien nicht: Soll ich trinken, sondern eher: Wie viel sollte ich trinken, um nüchtern zu bleiben?“.
In Litauen sind seit 2018 Werbespots für Alkohol in allen Medien verboten, die Öffnungszeiten für den Kauf von Alkohol wurden verkürzt und das gesetzliche Alter, ab dem Alkohol gekauft werden kann, wurde von 18 auf 20 Jahre heraufgesetzt, alle alkoholischen Getränke müssen Warnhinweise über die Gesundheitsgefahren aufbringen, z. B. zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebserkrankungen. Die Grenze für die Alkoholkonzentration im Blut beim Autofahren wurde auf 0,4 Promille herabgesetzt. Die klinische Psychologin Elena Gaudiesiute betont: „Wirklich positiv ist die Möglichkeit, qualitativ hochwertige Hilfe über die nationale Krankenversicherung zu bekommen. Deshalb können auch Menschen, die ein geringes oder gar kein Einkommen haben, Hilfe bekommen“.
Frankreich verfügt über ein gut entwickeltes Stufenmodell der Behandlung, notwendig sei aber, so die Experten Barak Raz, Dr. Dominik Straub und Dr. Martine Schmuck vom Suchtzentrum ROANNE in Lyon, den Fokus noch stärker auf Prävention und die Einbindung der Familie in die Behandlung zu legen: „Die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten konzentrieren sich auf den Einzelnen, vernachlässigen aber oft den familiären Aspekt. Es bedarf einer weitergehenden Psychotherapie, die darauf abzielt, das Leiden und Trauma zu bekämpfen, das oft multigenerationell auftritt“.
In Ungarn habe der Alkoholkonsum tiefe kulturelle Wurzeln, es habe eine der höchsten Raten des starken episodischen Trinkens und die höchsten Raten an Leberzirrhose in Europa. Die Kosten einer Psychotherapie seien nicht durch die Krankenkasse abgedeckt. Die Mehrheit der Fachkräfte des Gesundheitswesens setze in der Alkoholtherapie auf medikamentöse Behandlung. Es fehle eine politische Strategie. Neben der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz starken Trinkens fehle es auch in den Medien an Aufmerksamkeit, so die Experten PhD MátéKapitány-Fövény, Prof. Dr. Zsuzsanna Elekes und Dr. Zsolt Demetrovics.
Alkoholpreis und -verfügbarkeit
Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass ein moderater Alkoholkonsum erlernt werden müsse und dass Alkohol nicht so einfach verfügbar sein dürfe. Länder mit höheren Preisen und strengeren Abgabenregelungen haben einen deutlich niedrigeren Pro-Kopf-Alkoholkonsum als die Länder, in denen er preiswert ist. Höhere Preise sind wirksam, um die Alkoholsucht zu reduzieren.