Ab 2011: ADHS nicht mehr im Morbi-RSA
BPtK fordert gesetzliche Neuregelung mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG)
Ab 2011 gehört ADHS nicht mehr zu den Erkrankungen, deren überdurchschnittliche Behandlungskosten durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) abgedeckt sind. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) droht damit für die gesetzlichen Krankenkassen zu einem Verlustgeschäft zu werden.
Statt des krankheitsbezogenen Zuschlags in Höhe von 1.335 Euro jährlich erhalten die Kassen ab 2011 z. B. für einen sechsjährigen Jungen mit ADHS nur noch die krankheitsunabhängige Pauschale (1.052 Euro), bestehend aus einer Grundpauschale abzüglich der alters- und geschlechtsbezogenen Abschläge aus dem Gesundheitsfonds. "Mit dieser Entscheidung stehen sämtliche innovativen Modelle und Verträge für eine bessere Behandlung von ADHS-Kindern auf der Kippe", kritisierte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). "Grund dafür ist ein gesetzgeberischer Fehler, der zu einer grundsätzlichen Benachteiligung von Erkrankungen führt, die nur in Kindheit und Jugend auftreten. Das muss im Rahmen der jetzigen Gesundheitsreform (GKV-FinG) dringend korrigiert werden."
Durch den Morbi-RSA werden seit 2009 die Kosten für 80 Krankheiten, die besonders häufig und teuer sind, zwischen den gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen. Bereits 2010 drohte ADHS aus der Liste der Krankheiten gestrichen zu werden, für die die Kassen höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Der Grund besteht darin, dass im Morbi-RSA nur Krankheiten berücksichtigt werden, wenn u. a. die durchschnittlichen Kosten der von dieser Krankheit betroffenen Versicherten das 1,5fache der durchschnittlichen Ausgaben eines Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung überschreitet. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine Kinderkrankheit handelt oder um eine Krankheit, die in jedem Lebensalter auftritt. Aufgrund der deutlich niedrigeren Gesamtbehandlungskosten bei jüngeren Versicherten ist das Überschreiten dieses Schwellenwertes für Krankheiten des jüngeren Lebensalters selbst bei hohen krankheitsspezifischen Kosten kaum zu erreichen. "Ein solches Kriterium führt zu einer systematisch falschen Bewertung von ADHS", stellte BPtK-Präsident Richter fest. ADHS ist insbesondere eine Krankheit des Kindes- und Jugendalters. Über 90 Prozent aller ADHS-Diagnosen erhalten Patienten unter 18 Jahren.
Da im vergangenen Jahr noch keine umfassende Überprüfung der Krankheiten des Morbi-RSA erfolgt war, verzichtete das Bundesversicherungsamt (BVA) 2010 darauf, allein ADHS zu streichen. In diesem Jahr ergab die Prüfung für ADHS jedoch erneut ein knappes Unterschreiten des Schwellenwertes. Die BVA-Entscheidung, ADHS aus der Morbi-RSA-Liste zu streichen, könnte schon bald Spuren in den Verhandlungen über neue Verträge zur integrierten Versorgung für diese Patientengruppe hinterlassen. Bereits vor der Entscheidung des BVA waren einzelne Kassen bestrebt, die Inhalte finanziell so stark zu beschränken, dass die neuen Behandlungsmodelle kaum substanzielle Verbesserungen für Kinder und Jugendliche hätten bewirken können. "Die beteiligten Krankenkassen werden nun um so mehr befürchten, dass sich die Investitionskosten für neue und bessere Behandlungsmodelle von Kindern und Jugendlichen mit ADHS nicht refinanzieren lassen", erklärte der BPtK-Präsident. "ADHS-Kinder gehören ab 2011 für die Kassen zu den schlechten Risiken und damit zu den Verlierern im deutschen Gesundheitssystem."
Downloads
Veröffentlicht am 01. September 2010