Asylrechtsreform: BPtK fordert EU-Aufnahmerichtlinie umzusetzen
Schwer traumatisierte Flüchtlinge dürfen nicht abgeschoben werden
Flüchtlinge, die an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankt sind, dürfen nicht abgeschoben werden. Die Beschleunigung von Asylverfahren darf nicht dazu führen, dass schwer traumatisierte Flüchtlinge grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf eine leitliniengerechte Behandlung haben. Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fordert Bundesinnenminister de Maizière deshalb auf, die EU-Aufnahmerichtlinie vom Juni 2013 umzusetzen. Danach haben besonders schutzbedürftige Personen einen Anspruch insbesondere auf eine angemessene Gesundheitsversorgung. Zu diesen schutzbedürftigen Personen zählen auch Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.
"Bundesinnenminister Thomas de Maizière plant neue asylrechtliche Regelungen, die der EU-Aufnahmerichtlinie widersprechen", kritisiert BPtK-Präsident Munz. "PTBS sind schwere psychische Erkrankungen, die dringend zu diagnostizieren und zu behandeln sind. 40 Prozent der Flüchtlinge, die an einer PTBS erkrankt sind, hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Die Annahme des Bundesinnenministeriums, dass PTBS keine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben darstellt, ist fachlich falsch. PTBS ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die eine Abschiebung ausschließt."
Viele der Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, haben in ihrem Heimatland und auf der Flucht traumatische Ereignisse erlebt. Viele wurden Opfer von Gewalt oder wurden gefoltert. Das Risiko, nach Vergewaltigung, Krieg, Vertreibung und Folter eine PTBS zu entwickeln, liegt bei 50 Prozent. Breiter fachlicher wissenschaftlicher Konsens (S3-Leitlinie) ist, PTBS psychotherapeutisch zu behandeln. Eine rein medikamentöse Behandlung entspricht nicht dem fachlichen Standard. Psychopharmaka können in Einzelfällen zusätzlich zu einer Psychotherapie eingesetzt werden, ersetzen diese aber nicht. "Es ist medizinisch nicht verantwortbar, Flüchtlinge mit PTBS z. B. mit Beruhigungsmitteln ruhigzustellen, um sie abschieben zu können", stellt BPtK-Präsident Munz fest.
Der vom Bundesinnenministerium zurückgezogene Referentenentwurf sah außerdem vor, dass eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine "qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft" gemacht werden muss. "Damit schließt Minister de Maizière Psychotherapeuten als Experten für die Begutachtung von psychischen Erkrankungen im Rahmen von asylrechtlichen Verfahren aus. Diese aber sind der Heilberuf, der für die psychotherapeutische Behandlung von Traumata bestens qualifiziert und besonders geeignet ist. Zudem ist es ständige Rechtsprechung, dass Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sind, insbesondere in asylrechtlichen Verfahren psychische Erkrankungen zu diagnostizieren.
Veröffentlicht am 08. Dezember 2015