Besserer Schutz von geflüchteten Frauen und Kindern notwendig
BPtK fordert sichere Unterkünfte und psychosoziale Versorgung
Frauen und Kinder, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, erleben häufig auch auf der Flucht schwere traumatische Verletzungen. Insbesondere auf afrikanischen Fluchtwegen sind sie oft allein unterwegs und besonders wehrlos gegenüber Lösegelderpressern, Vergewaltigern und gewalttätigen Banden. "Die Erlebnisse auf der Flucht sind häufig genauso grauenhaft wie die Erlebnisse in ihrer Heimat", erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). "Gerade geflüchtete Frauen und Kinder, die in Deutschland Aufnahme und Schutz suchen, brauchen deshalb unsere besondere Fürsorge. Die erschreckende Realität ist aber leider, dass sich Frauen und Kinder auch in Flüchtlingsunterkünften häufig nicht sicher fühlen."
Traumatisierte Menschen benötigen grundsätzlich eine Situation, in der sie sich sicher und aufgehoben fühlen, in der sie ausreichend Privatsphäre sowie psychosoziale Beratung und Betreuung erhalten. Die BPtK fordert deshalb, die Unterbringung und die Gesundheitsversorgung insbesondere von geflüchteten Frauen und Kindern dringend zu verbessern. "Wir brauchen verbindliche Mindeststandards für den Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften", stellt BPtK-Präsident Munz fest. "Für ihre Betreuung benötigen wir außerdem mehr geschultes Personal, Dolmetscher und eine gesicherte Finanzierung einer psychosozialen Erstversorgung sowie von Psychotherapie, wenn psychische Erkrankungen vorliegen."
Drei aktuelle Studien belegen, dass die Unterbringung und Gesundheitsversorgung von geflüchteten Frauen und Kindern in Deutschland mangelhaft sind.
Geflüchtete Frauen besonders gefährdet
Geflüchtete Frauen bewerten vor allem ihre Unterbringung als schlecht oder sehr schlecht. In einer Studie, die von der Integrationsbeauftragten Aydan Özo?uz in Auftrag gegeben wurde, beklagen sie, dass es an ausreichender Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten fehle. Die hygienischen Bedingungen seien zum Teil mangelhaft. Oftmals fühlten sie sich in den Unterkünften nicht sicher.
Mehr als ein Drittel beklagt auch eine mangelhafte medizinische Versorgung. Nicht einmal jede zehnte geflüchtete Frau erhielt psychologische Betreuung - und das, obwohl die Mehrzahl der Frauen in ihrer Heimat oder auf der Flucht Traumatisches erlebt hatte. Die Mehrheit der befragten Frauen flüchtete vor Lebensgefahr, Krieg und Terror. Auch Angst vor Ehrenmord, Zwangsverheiratung, sexueller Gewalt oder Genitalverstümmelung wurden als Fluchtgründe genannt. Besonders Frauen aus Eritrea waren Opfer von Folter oder sexueller Gewalt.
Viele afrikanische Frauen machen sich alleine auf die Flucht und sind daher besonders gefährdet. "Wir müssen insbesondere auf die Frauen aus afrikanischen Ländern achten, weil sie häufig alleine geflüchtet sind und unvorstellbare Grausamkeiten erlebt haben. Sie brauchen unbedingt unsere besondere Aufmerksamkeit", betont BPtK-Präsident Munz.
Flüchtlingskinder brauchen Sicherheit und Rückzugsmöglichkeiten
Auch Flüchtlingskinder leiden unter ihrer Situation in Deutschland, wie eine UNICEF-Studie belegt. Demnach verbringen viele Flüchtlingskinder mehrere Monate in Unterkünften, die nicht ihrem besonderen Schutzbedürfnis entsprechen. Dies wird auch von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages kritisiert. Das Zusammenleben mit fremden Menschen auf engstem Raum ohne die Möglichkeit, ein Zimmer abzuschließen, bedeutet für die Kinder ständigen großen Stress und Unsicherheit. "Kindern und Jugendlichen fällt es ohnehin schon schwer, ihre traumatischen Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht zu verarbeiten. Die Situation in Flüchtlingsunterkünften kann deshalb dazu führen, dass sie starke psychische Beschwerden und Erkrankungen entwickeln oder sich bestehende Leiden verschlimmern", erklärt Munz. "Familien mit Kindern sollten deshalb so schnell wie möglich aus Gemeinschaftsunterkünften in eigene Wohnungen umziehen dürfen." Auch die Kinderkommission des Bundestages fordert, Flüchtlingsfamilien dezentral in Wohnungen unterzubringen, damit sie am normalen Alltagsleben teilhaben können. Darüber hinaus empfiehlt sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Gemeinschaftsunterkünften gestärkt und Beratungsangebote in den Unterkünften vorgehalten werden sollten.
Gerade Kinder leiden unter ihrer Unterbringung und der Ungewissheit, ob sie wieder abgeschoben werden. Nicht selten haben sie eine psychische Erkrankung und benötigen eine Psychotherapie. Trotz vorliegender Indikation lehnen es deutsche Behörden oft jedoch ab, die Kosten für eine Behandlung zu übernehmen. Unbehandelte psychische Erkrankungen im Kindesalter können einen Menschen jedoch ein ganzes Leben lang belasten", stellt der BPtK-Präsident fest. "Wenn Kinder psychisch gefährdet oder krank sind, muss ihnen schnell und unbürokratisch geholfen werden." Die Kinderkommission fordert in diesem Zusammenhang, psychosoziale Zentren und vergleichbare Angebote für Flüchtlinge auszubauen und verlässlich zu finanzieren.
Unbegleitete Minderjährige besonders häufig traumatisiert
Zur besonderen Situation unbegleiteter Minderjähriger hat die Bundesregierung einen Bericht veröffentlicht. Danach haben unbegleitete Kinder und Jugendliche auf ihrer Flucht extreme Belastungen erlebt. Sie sind häufiger traumatisiert als Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien geflüchtet sind. "Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen fehlt der unverzichtbare familiäre Rückhalt", so Munz. "Sie benötigen mehr als alle anderen verlässliche Betreuung und Behandlung bei psychischen Erkrankungen."
Links
- Female refugee study
- Kindheit im Wartezustand - Studie zur Situation von Kindern und Jugendlichen in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland
- Bericht der Bundesregierung zur Situation unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Deutschland
- Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zum Thema "Kinderrechte für Flüchtlingskinder in der Unterkunft, dem Asylverfahren und der Kinder- und Jugendhilfe"
Veröffentlicht am 10. April 2017