Keine einzige Minute mehr an Psychotherapie für Patient*innen in Kliniken
BMG beanstandet PPP-Richtlinie erneut nicht
Die überfällige Stärkung der psychotherapeutischen Versorgung von Patient*innen in psychiatrischen Kliniken bleibt weiter aus. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Änderung der PPP-Richtlinie vom 16. September 2022 erneut nicht beanstandet. Die Minutenwerte für Psychotherapie bleiben damit unverändert.
»Das BMG billigt erneut, dass die psychotherapeutische Versorgung der Patient*innen in der Psychiatrie mangelhaft bleibt“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Die Patientenvertretung im G-BA (PatV), die Bundesärztekammer (BÄK) und die Bundespsychotherapeutenkammer hatten gemeinsam gefordert, dass Patient*innen in psychiatrischen Krankenhäusern künftig in der Regelbehandlung zehn Minuten mehr Psychotherapie pro Wochentag erhalten. Aktuell stehen Patient*innen maximal 50 Minuten Psychotherapie pro Woche zu. So viel bekommen sie allerdings meist bereits in einer ambulanten Behandlung. Aufgrund der Schwere der psychischen Erkrankungen reicht diese „Dosis“ an Psychotherapie für die Patient*innen in psychiatrischen Kliniken jedoch nicht aus.
Das ist unverständlich auch angesichts der Tatsache, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, dass im stationären Bereich für eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung und eine bedarfsgerechte Personalausstattung gesorgt werden soll. „Dieser Verschiebebahnhof muss endlich ein Ende haben. Der Gesetzgeber muss klarstellen, dass die Mindestvorgaben für die Personalausstattung eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung in Psychiatrie und Psychosomatik sicherstellen müssen. Anders sind die zwingend erforderlichen Verbesserungen der Versorgungsqualität nicht zu erreichen“, so Munz.
Der G-BA hatte in seinem Beschluss begründet, dass weitere Evidenz abgewartet werden müsse. Eine höhere Evidenz ist auch in Zukunft nicht zu erwarten. Studien, in denen unterschiedliche Therapie-intensitäten bspw. im Rahmen von RCT-Studien miteinander verglichen werden, werfen große methodische Probleme auf und werden deshalb aktuell und auch in Zukunft nicht durchgeführt werden. Der gemeinsame Vorschlag von PatV, BÄK und BPtK beruht bereits auf der am besten verfügbaren Evidenz: konsentierten Expertenmeinungen.
Auch der Verweis des G-BA auf die Umsetzungsschwierigkeiten wegen der aktuell noch ungenügenden Personalsituation in den Kliniken ist nicht nachvollziehbar. Der Vorschlag von PatV, BÄK und BPtK sah einen langsamen und schrittweisen Aufbau der Personalsituation in den Kliniken vor. Darüber hinaus gilt, dass gerade die unzureichende Personalausstattung in den Klinken und die damit verbundenen schlechten Arbeitsbedingungen den Fachkräftemangel verstärken. Für die Berufsgruppe der Psychotherapeut*innen gilt zudem, dass der durchschnittliche Umsetzungsgrad der Kliniken der Erwachsenenpsychiatrie im dritten Quartal 2022 bei 152 Prozent lag (vgl. IQTIG Quartalsbericht 3-2022, Abb. 7 [29]). Eine Erhöhung der Minutenwerte in der Berufsgruppe der Psychotherapeut*innen ist gut umsetzbar.
Veröffentlicht am 28. Februar 2023