Kindesmissbrauch und -vernachlässigung
Früherkennung U1 bis U9 verbessern
"Kinder können besser gegen Missbrauch und Vernachlässigung geschützt werden", stellte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in Berlin fest. Die Beratungen des Bundesrats am 3. und 4. Mai 2006 über einen besseren Schutz des Kindeswohls seien deshalb grundsätzlich sehr zu begrüßen. Die BPtK fordert insbesondere, die Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 nach § 26 SGB V für Kinder zu verbessern und ihre hohe Akzeptanz zu stärken. Als Verbesserungen schlägt die BPtK vor:
Systematische Erhebung der psychosozialen und kognitiven Entwicklung des Kindes: bislang werden geeignete Screening-Instrumente für hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens und Entwicklungsstörungen der Sprache und des Sprechens nicht eingesetzt;
Verkürzung der Zeitabstände zwischen den einzelnen Untersuchungen: die Akzeptanz der U1 zur U6 (zehnter bis zwölfter Monat) liegt auch deshalb bei über 90 Prozent, weil die Untersuchungen schnell hintereinander folgen;
Eine zusätzliche Untersuchung zum Ende des dritten Lebensjahres, um bei Beginn der Kindergartenbetreuung frühzeitig Defizite in der kognitiven und Sprachentwicklung sowie Auffälligkeiten der sozial-emotionalen Entwicklung zu erkennen und zu behandeln;
Eine zusätzliche Untersuchung zwischen dem siebten und achten Lebensjahr, um Krisen in den ersten Schuljahren rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln;
Eingehende ("differentialdiagnostische") Untersuchung von Risikokindern durch Psychotherapeuten in ambulanten Praxen und Beratungsstellen;
Bessere Information von Eltern über die Früherkennung, insbesondere Beratung und Hilfsangebote, wenn die gesunde Entwicklung des Kindes gefährdet ist;
Bessere Vernetzung der Früherkennungsuntersuchungen mit Betreuungseinrichtungen und bestehenden Hilfsangeboten sowie eine bessere Koordinierung der Hilfen.
Stärkere Kontrollen und Meldungen an das Jugendamt, wie sie im Hamburger Entschließungsantrag gefordert werden, können dagegen die positive Einstellung der Eltern zur Früherkennung gefährden und sind wenig Erfolg versprechend: "Eine Untersuchung lässt sich leicht so lange hinauszögern, bis die blauen Flecke wieder verschwunden sind", erklärte BPtK-Präsident Rainer Richter. Entscheidend sei, dass gefährdeten Familien in schwierigen Lebenssituationen schnell und einfach Angebote beispielsweise der kommunalen Erziehungsberatung zur Verfügung stehen. "Gerade in der Familienberatung haben aber die Länder in den vergangenen Jahren kräftig gespart", kritisierte Richter.
Veröffentlicht am 02. Mai 2006