Praxiswert: Vereinbarter Kaufpreis bindet Zulassungsausschuss
BSG zu den wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Arztes
Die Zulassungsgremien sind nicht berechtigt, den Verkehrswert einer Praxis abweichend vom vereinbarten Kaufpreis festzusetzen, wenn sich Käufer und Verkäufer bereits auf einen Kaufpreis geeinigt haben. Eine solche Entscheidung darf nur getroffen werden, wenn zwischen dem ausscheidenden Arzt und den Bewerbern Streit über den Verkehrswert besteht. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 14. Dezember 2011 (B 6 KA 39/10 R) entschieden.
Die Vorinstanzen hatten Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss noch für berechtigt gehalten, den Verkehrswert auch dann abweichend festzusetzen, wenn keine Einigung über den Kaufpreis besteht (SG Reutlingen, Urteil vom 25. November 2008, S 1 KA 618/08; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2010, L 5 KA 1323/09).
In dem zugrundeliegenden Fall wählte der Zulassungsausschuss einen Bewerber als Nachfolger aus, der den vom Verkäufer geforderten Preis (45.000,00 Euro) als zu hoch ablehnte und ankündigte, er werde nur den Verkehrswert bezahlen. Gegen die Auswahl des späteren Käufers legten Verkäufer und Mitbewerber Widerspruch ein. Verkäufer und ausgewählter Bewerber einigten sich aber in einer Pause während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsausschuss auf einen Kaufpreis von 40.000,00 Euro. Damit bestand kein Streit mehr über den Kaufpreis. Der Berufungsausschuss wies allerdings darauf hin, dass die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes nach § 103 Absatz 4 SGB V Satz 6 nur eingeschränkt zu berücksichtigen seien, holte von Amts wegen ein Gutachten zum Verkehrswert ein und setzte schließlich den Verkehrswert auf 2.940,00 Euro fest.
Nach § 103 Absatz 4 SGB V hat der Zulassungsausschuss bei der Auswahl der Bewerber die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen, ferner, ob der Bewerber der Ehegatte, ein Kind, ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich ausgeübt wurde. Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt.
Das BSG entschied jetzt, dass Satz 6 („wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Arztes“) nur verhindern soll, dass aus einer Mehrheit von geeigneten Bewerbern derjenige ausgewählt wird, der den höchsten Kaufpreis zahlt. Ist zwischen allen Bewerbern und dem ausscheidenden Vertragsarzt jedoch Einigkeit über den Kaufpreis erzielt worden, besteht keine Notwendigkeit zur Festsetzung des Verkehrswertes, weil die Bereitschaft zur Zahlung eines bestimmten Kaufpreises dann kein Auswahlkriterium mehr ist.
Besteht jedoch keine Einigkeit über den Kaufpreis, darf der Zulassungsausschuss den Verkehrswert ermitteln. Dabei hat er keinen Beurteilungsspielraum, der auch gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer ist. Zur Ermittlung des Verkehrswertes vertragspsychotherapeutischer Praxen ist auch die so genannte modifizierte Ertragswertmethode grundsätzlich geeignet, so das BSG.
Veröffentlicht am 10. Januar 2012