Psychotherapeutengesetz - Ein Meilenstein für psychisch Kranke
Das Psychotherapeutengesetz ist ein Meilenstein in der Versorgung. "Psychisch kranke Menschen können heute auf ein flächendeckendes Netz an hoch qualifizierten Psychotherapeuten zurückgreifen", stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. "Psychotherapie ist nachweislich wirksam. In der Praxis erhalten psychisch kranke Patienten jedoch häufig keine oder viel zu selten Psychotherapie."Kinder, die an ADHS erkranken, bekommen erschreckend oft Therapien, die sich nicht an den anerkannten Regeln der Heilkunst orientieren, wie sie in multiprofessionellen Leitlinien abgestimmt sind. Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen, bei denen ADHS diagnostiziert wird, erhält keine spezifische Behandlung, über 40 Prozent bekommen eine Monotherapie mit Psychostimulanzien. "Bei ADHS werden viel zu oft und zu schnell Medikamente verschrieben", rügt BPtK-Präsident Richter. Aktuell erhalten nach den Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns nur 3,7 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen eine Psychotherapie und nur 2,8 Prozent eine Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie.Psychotherapie kommt auch in der ambulanten Behandlung von depressiven Störungen zu kurz. Nach Analysen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns befindet sich die Hälfte der Patienten ausschließlich in hausärztlicher Behandlung und erhält keine oder eine ausschließlich medikamentöse Behandlung. Nur jeder 25. Hausarztpatient mit einer Depression wird psychotherapeutisch behandelt. "Damit haben wir bei depressiven Patienten eine erhebliche Fehl- und Unterversorgung im ambulanten Bereich", sagt der BPtK-Präsident.Die Wartezeiten für eine Psychotherapie sind zu lang. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung berücksichtigt nicht die gestiegene Bereitschaft der Patienten, sich bei einer psychischen Krankheit psychotherapeutisch behandeln zu lassen. Dabei ziehen Patienten eine Psychotherapie deutlich einer Pharmakotherapie vor. "Die Scheu, sich aufgrund einer psychischen Krankheit bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten behandeln zu lassen, hat abgenommen", bilanziert BPtK-Präsident Richter. "Die Anerkennung der Psychotherapeuten als gesetzlich geschützter Heilberuf hat zu einer Entstigmatisierung von seelischen Leiden geführt."Defizite bestehen insbesondere bei Kriseninterventionen und einer längerfristigen Psychotherapie für chronisch kranke Menschen. Eine Diabetesbehandlung dauert selbstverständlich so lange, wie der Patient sie benötigt. Arzneimittel werden so lange verordnet, wie es der Arzt für notwendig erachtet. Die Behandlung von psychischen Störungen ist immer noch befristet. "Nicht wenige psychische Krankheiten werden zu chronischen Leiden", erklärt der BPtK-Präsident. "Diese Patienten sollten nach der Akutbehandlung eine weniger intensive, stützende Psychotherapie erhalten können, um Rückfällen vorzubeugen", fordert der BPtK-Präsident. Außerdem sollten Psychotherapeuten - wie auch Ärzte - krankschreiben und Heilmittel verordnen können, z. B. Ergo- und Logotherapie."Die Qualität der Versorgung psychisch kranker Menschen ist so gut, wie eine multiprofessionelle Kooperation und die Integration unterschiedlicher Versorgungsangebote auch kostenträgerübergreifend gelingen", erläutert Richter. "In dem Maße, wie es den unterschiedlichen Gesundheitsberufen gelingt, berufsständische Interessen zurückzustellen, und Kostenträger bereit sind, Schnittstellen und Brüche in den Versorgungsprozessen patientenorientiert zu überwinden, kommen wir diesem Ziel näher."Hintergrund: Das Psychotherapeutengesetz, das am 1. Januar 1999 in Kraft trat, schuf den approbierten Heilberuf des "Psychologischen Psychotherapeuten" und des "Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten". Das Gesetz stellte damit Psychotherapeuten den Ärzten gleich. Patienten können sich seither überall in Deutschland direkt an einen Psychotherapeuten wenden und sicher sein, dass er über die Qualifikation verfügt, um psychische Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Das Psychotherapeutengesetz legte die Grundlagen für ein psychotherapeutisches Berufsrecht mit hohen Ausbildungsstandards, Fortbildungsverpflichtung und Berufsordnung. Dazu gehört auch, dass die Psychotherapeutenkammern auf die Einhaltung von Patientenrechten und der Berufspflichten ihrer Mitglieder achten.