Therapie nicht als verlängerten Strafvollzug missbrauchen
BPtK kritisiert Therapieunterbringungsgesetz
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom   Dezember 2009 die deutsche Praxis der nachträglichen   Sicherungsverwahrung als eine "verkappte Strafverlängerung" bezeichnet   und als Verstoß gegen die Menschenrechte gerügt. Damit entstand die   Frage, wie mit den Straftätern umgegangen werden soll, bei denen   nachträglich eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Antwort der   Bundesregierung ist das "Gesetz zur Therapierung und Unterbringung   psychisch gestörter Gewalttäter", das morgen im Bundestag verabschiedet   werden soll. Danach ist es möglich, diese Straftäter zukünftig in   "geschlossene medizinisch-therapeutische Einrichtungen" einzuweisen.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnt vor einem Missbrauch von Einrichtungen für psychisch kranke Menschen:
Erstens   befinden sich diese Straftäter gerade deshalb in Sicherungsverwahrung,   weil sie bisher nicht als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig   gelten. Sie wurden als gefährliche Straftäter in der   Sicherungsverwahrung von Justizvollzugsanstalten und nicht als psychisch   kranke Menschen im Maßregelvollzug untergebracht. Der Gesetzgeber   unterstellt jetzt, dass diese Straftäter psychisch krank seien, um der   Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der   Europäischen Menschenrechtskonvention zu entsprechen.
Zweitens   ist nicht bei jedem dieser Straftäter eine Therapie geeignet, um die von   ihm ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit zu senken - selbst wenn er   psychisch krank sein sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat aber  1994  entschieden, dass therapeutische Eingriffe nur dann zulässig sind,  wenn  eine hinreichend positive Behandlungsprognose besteht. Das   Bundesverfassungsgericht hat damit Zwangsbehandlungen ohne   Erfolgsaussichten einen Riegel vorgeschoben.
Die deutsche   Psychotherapeutenschaft kritisiert deshalb die Regelungen des   Therapieunterbringungsgesetzes, auch wenn sie dem politischen Ziel des   Gesetzes, die Allgemeinheit vor gefährlichen Gewalt- und   Sexualstraftätern zu schützen, uneingeschränkt zustimmt: "Geschlossene   medizinisch-therapeutische Einrichtungen sollen hier dazu benutzt   werden, um den weiteren Freiheitsentzug von Gewalttätern   sicherzustellen", stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest.   "Diese Psychiatrisierung strafrechtlicher Probleme ist inakzeptabel."
Downloads
Veröffentlicht am 01. Dezember 2010