Verlässlichere Informationen für psychisch kranke Menschen notwendig
BPtK-Studie zu den Qualitätsberichten der Psychiatrie und Psychosomatik
Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung psychiatrischer Leistungen (PsychVVG) muss zu mehr Transparenz führen. Wie viel und welches Personal die Kliniken haben, welche Leistungen sie damit erbringen und ob ihre Behandlungen leitliniengerecht sind, ist aktuell für niemanden erkennbar. Das ist das Ergebnis der Studie "Die Qualität der Versorgung in Psychiatrie und Psychosomatik - Eine Auswertung der Qualitätsberichte der Krankenhäuser", die die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) heute in Berlin vorlegte.
"Die Qualität der Versorgung in Kliniken muss für psychisch kranke Menschen, aber auch einweisende Ärzte und Psychotherapeuten erkennbar sein", erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. "Dafür sind eigentlich die Qualitätsberichte der Krankenhäuser da. Es ist jedoch erstaunlich, wie wenig diese aufwendigen Dokumentationen der psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser an aussagekräftigen Daten liefern. Deshalb müssen die Anforderungen an diese Qualitätsberichte grundlegend überarbeitet werden. Aus ihnen muss zukünftig zu erkennen sein, welche Personalausstattung eine Klinik hat und wie sie ihre Patienten damit behandelt."
Die BPtK hat für ihre Studie in drei prototypischen Bundesländern (Bayern, Hamburg und Sachsen) die Qualitätsberichte der psychiatrischen Krankenhäuser und Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern ausgewertet und mit den Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) verglichen. Das zentrale Ergebnis der BPtK-Studie ist: Verlässliche Aussagen darüber, wie die Qualität der psychiatrischen Versorgung in den ausgewählten Bundesländern ist, lassen sich aus den Qualitätsberichten nicht ableiten. Erst auf der Basis umfangreicher zusätzlicher Recherchen wird deutlich, dass die Personalvorgaben der Psych-PV in vielen Häusern unterschritten werden.
Geld, das für Personal verhandelt wurde, muss auch für Personal verwendet werden. "Wir brauchen dringend verbindliche Vorgaben für die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik. Zusätzlich sollte überprüft werden, ob diese Vorgaben auch eingehalten werden", hält BPtK-Präsident Munz fest. "Im PsychVVG wird dies aufgegriffen. Was noch fehlt, sind gesetzliche Grundlagen für eine bessere Beschreibung der Leistungen in den Kliniken." Die BPtK hält es deshalb für notwendig, den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) systematisch zu überprüfen und neu zu konzipieren.
Auf Basis der Qualitätsberichte lassen sich bisher nur folgende allgemeine Aussagen treffen:
Deutliches Defizit bei psychotherapeutischen Leistungen:
In fast neun von zehn (86 Prozent) der allgemeinpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken und Abteilungen gibt es ausreichend ärztliches und fachärztliches Personal, um die medizinische Grundversorgung der Patienten sicherzustellen.
Nach der Psych-PV werden psychotherapeutische Leistungen bisher Ärzten und Psychologen zugeordnet. Nur drei von vier Kliniken und Abteilungen für Allgemeinpsychiatrie (75 Prozent) und etwas knapper für Kinder- und Jugendpsychiatrie (73 Prozent) erfüllen danach die Personalanforderungen. In der Psychosomatik ist die Personalausstattung dagegen besser. Dort verfügen 95 Prozent der Kliniken über ausreichend psychotherapeutisches Personal.
"Dass selbst die Standards der Psych-PV nicht erfüllt werden, ist beunruhigend", stellt BPtK-Präsident Munz fest. "Die Psych-PV ist seit 1990 nicht aktualisiert, auf heutige Leitlinien angepasst und deshalb überholt. Konzepte und Mittel zur Behandlung von psychischen Erkrankungen haben sich in den vergangenen 25 Jahren erheblich weiterentwickelt."
Eklatante pflegerische Unterversorgung in den psychiatrischen Einrichtungen
Verglichen mit der Psych-PV, verfügt die Hälfte der Kliniken und Fachabteilungen der Erwachsenenpsychiatrie nicht über eine ausreichende pflegerische Personalausstattung.
"Das kann für Patienten dramatische Folgen haben, insbesondere wenn die Nachtwachen auf den Stationen nicht ausreichend besetzt sind", erläutert Munz. "Akute Krisensituationen, in denen ein Patient beispielsweise sich selbst oder andere zu gefährden droht, sind dann kaum noch ohne Schaden für Patient oder Personal zu bewältigen." Auch die Zahl der Zwangsbehandlungen und -maßnahmen erhöhe sich, wenn nicht ausreichend Pflegepersonal für eine 1:1-Betreuung zur Verfügung steht.
Veröffentlicht am 22. Juni 2016