Wie finde ich das richtige Krankenhaus für meine psychische Erkrankung?
BPtK veröffentlicht "Checkliste für Psychiatrie und Psychosomatik"
In Deutschland lassen sich jährlich über eine Million Menschen aufgrund einer psychischen Erkrankung in einem Krankenhaus behandeln. Behandlungskonzepte und -qualität unterscheiden sich in den verschiedenen Kliniken erheblich. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat deshalb eine "Checkliste für Psychiatrie und Psychosomatik" herausgegeben, die Patienten hilft, das für sie richtige Krankenhaus für ihre psychische Erkrankung zu finden. "Psychisch kranke Menschen wollen sich bewusst entscheiden, wann und wo sie sich stationär behandeln lassen", stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest. "Die BPtK-Checkliste unterstützt Patienten und Angehörige bei der Suche nach dem besseren Krankenhaus."
"Bisher wissen wir noch zu wenig, was in Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen passiert", erklärt BPtK-Präsident Richter. "Aus Patientensicht besteht ein erhebliches Informationsdefizit. Wir brauchen dringend mehr Transparenz in Psychiatrie und Psychosomatik, z. B. einen besseren Überblick über die Behandlungsangebote, damit sich Patienten ausreichend informieren können. Dafür ist wichtig, dass die Krankenhäuser dokumentieren, welcher Patient welche Behandlungen (Einzel-, Gruppenpsychotherapie, Medikamente, Ergotherapie etc.) erhält und wie erfolgreich die Behandlung war." Dass dies möglich ist, zeigen die psychosomatischen Rehabilitationskliniken, die in das Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung eingebunden sind.
Alle stationären Einrichtungen arbeiten mit multimodalen Behandlungskonzepten, zu denen Psychotherapie, Soziotherapie, Ergotherapie, Kunst- oder Musiktherapie, Physiotherapie, Sport-/Bewegungstherapie sowie Medikamente gehören können. Art und Umfang der verschiedenen therapeutischen Maßnahmen sind von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedlich. Während der Schwerpunkt in der Psychiatrie oft in der Behandlung mit Medikamenten liegt, bietet die Psychosomatik insbesondere psychotherapeutische Behandlungsangebote.
Für die meisten psychischen Erkrankungen gibt es inzwischen störungsspezifische Behandlungskonzepte, z. B. übertragungsfokussierte oder dialektisch-behaviorale Therapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Einige Krankenhäuser bieten entsprechende Behandlungsprogramme, die entweder auf speziellen Stationen oder stationsübergreifend angeboten werden. Darüber hinaus gibt es wissenschaftlich überprüfte Behandlungsleitlinien, auf die sich alle beteiligten Fachleute geeinigt haben. Ein wichtiges Qualitätskriterium bei Depressionen ist deshalb, dass sich die Behandlungsangebote einer Klinik an der "Nationalen Versorgungsleitlinie Unipolare Depression" orientieren. Diese empfiehlt z. B. bei akuten schweren Depressionen eine Kombinationsbehandlung aus Psychotherapie und Medikamenten. Eine Behandlung nur mit Psychotherapie oder nur mit Medikamenten ist weniger wirksam und entspricht nicht den Leitlinien.
"Psychisch kranke Menschen können bisher viel zu selten eine informierte Entscheidung treffen, wenn sie sich stationär behandeln lassen wollen", erklärt BPtK-Präsident Richter. Die "Checkliste für Psychiatrie und Psychosomatik" gibt eine erste Orientierung und Antworten auf grundlegende Fragen wie:
- Welche Krankenhäuser gibt es für psychisch kranke Menschen?
- Wie finde ich ein Krankenhaus in meiner Nähe?
- Wann ist eine Krankenhausbehandlung ratsam?
- Kann ich das Krankenhaus wechseln?
Die BPtK-Checkliste hilft, wichtige Informationen beim ersten Kontakt mit einem psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhaus zu erfragen:
- Wie sieht ein typischer Behandlungsplan für meine Erkrankung aus?
- Gibt es eine spezielle Abteilung oder ein spezielles Behandlungskonzept für meine Erkrankung?
- Entscheide ich gemeinsam mit dem behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten über meine Behandlung ("partizipative Entscheidungsfindung")?
- Welche Behandlungsalternativen habe ich?
- Kann ich mitentscheiden, mit welchen Medikamenten und in welcher Dosierung ich behandelt werde?
- Kann ich mitentscheiden, wie oft ich Psychotherapie erhalte?
- Welche zusätzlichen Therapien bekomme ich angeboten?
- Wie hilft mir das Krankenhaus nach der Entlassung?
Insgesamt existieren in Deutschland fast 90.000 stationäre Behandlungsplätze für erwachsene Patienten. Die große Mehrheit psychisch kranker Menschen, rund 750.000 Patienten, die sich im Jahr 2008 stationär behandeln ließen, entschied sich für ein Krankenhaus bzw. eine Krankenhausabteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Knapp 50.000 Patienten wählten ein Krankenhaus bzw. eine Krankenhausabteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Ungefähr 140.000 Patienten entschieden sich auch für eine Behandlung in Psychosomatischen Rehabilitationskliniken (inklusive Suchteinrichtungen), in denen die Behandlungskosten überwiegend von der gesetzlichen Rentenversicherung getragen werden. Die übrigen Patienten lagen auf nicht-fachspezifischen Abteilungen, z. B. auf Stationen für innere Erkrankungen.
Hauptgrund für die Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus bzw. eine Krankenhausabteilung sind Alkoholerkrankungen (26 Prozent), gefolgt von unipolaren Depressionen (21 Prozent) und schizophrenen Erkrankungen (18 Prozent). Hauptaufnahmegrund in psychosomatischen Krankenhäusern bzw. Krankenhausabteilungen sind unipolare Depressionen (49 Prozent), Angststörungen (14 Prozent) sowie somatoforme Störungen (8 Prozent).
Die durchschnittliche Behandlungszeit beträgt in der Psychiatrie drei und in der Psychosomatik sechs Wochen. Diese erheblichen Unterschiede lassen sich z. T. durch die unterschiedlichen Erkrankungen der Patienten erklären, aufgrund derer sie in den beiden Kliniken behandelt werden. Patienten mit Alkoholerkrankungen werden überdurchschnittlich häufig in psychiatrischen Einrichtungen behandelt. Sie bleiben dort allerdings nur relativ kurz (11,2 Tage), weil sie nur eine Entgiftung erhalten. Für die längere Entwöhnungsbehandlung wechseln die Patienten danach in eine spezielle Suchteinrichtung.
Bei anderen Erkrankungen lässt die unterschiedliche Aufenthaltsdauer eher auf die unterschiedlichen Behandlungskonzepte schließen, mit denen Psychiatrie und Psychosomatik arbeiten. Gravierende Unterschiede bestehen beispielsweise bei Persönlichkeitsstörungen. Während Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in psychiatrischen Kliniken durchschnittlich drei Wochen behandelt werden, dauert die Behandlung in psychosomatischen Krankenhäusern durchschnittlich sechs Wochen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass in den kleineren Fachabteilungen der Psychiatrie meistens keine spezifischen Behandlungskonzepte vorgehalten werden und häufig lediglich eine Krisenintervention erfolgt. Dagegen werden in der Psychosomatik i. d. R. spezifische psychotherapeutische Behandlungskonzepte für diese Patientengruppe angeboten und die Patienten werden hinsichtlich ihrer Therapiemotivation stärker vorausgewählt. "Dies verdeutlicht, dass ohne Transparenz über die Behandlungsleistungen in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen wichtige Informationen für den Patienten fehlen, wenn er sich für ein Krankenhaus entscheiden muss", erläutert BPtK-Präsident Richter.
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Veröffentlicht am 06. Mai 2010