Gleiche Chancen, gesund zu bleiben
BPtK zum geplanten Präventionsgesetz
In einer Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung und multimorbiden sowie chronischen Erkrankungen wächst die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung, damit Krankheiten erst gar nicht entstehen oder möglichst kurz verlaufen. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt, dass die Bundesregierung diesem Thema so hohe Priorität einräumt und bereits zu Beginn der Legislaturperiode der Referentenentwurf eines Präventionsgesetzes vorliegt, und fordert, psychotherapeutischen Sachverstand bei Gesundheitsuntersuchungen und Empfehlungen von Präventionsangeboten zu nutzen sowie bei Früherkennungsuntersuchungen kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische Expertise einzubeziehen. Psychische Erkrankungen als Merkmal der Morbidität des 21. Jahrhunderts sollten in einem „Nationalen Aktionsprogramm Psychische Gesundheit“ zum gesellschaftlichen Schwerpunktthema gemacht werden.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Erfolgreiche Prävention braucht partizipative Angebote für spezifische Zielgruppen (z. B. nach Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, kulturellem Hintergrund, sozialem Status und Bildung) in deren Lebenswelten (z. B. Familie, Kindertagesstätte, Schule, Betrieb, Verein oder Senioreneinrichtung). Dabei sollten alle relevanten Kostenträger und Leistungserbringer an der Prävention beteiligt werden. Das erfordert gesetzliche Regelungen, nach denen Prävention und Gesundheitsförderung gesamtgesellschaftlich finanziert und verantwortet werden, unter Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen und möglichst sämtlicher Sozialversicherungsträger. Die konkrete qualitätsgesicherte Verhaltens- und Verhältnisprävention vor Ort sollte dann orientiert an nationalen Gesundheitszielen regional koordiniert werden.
Der Referentenentwurf schafft mit der Orientierung an Gesundheitszielen, der Nationalen Präventionsstrategie und dem Ausbau der Prävention in Lebenswelten wichtige Grundlagen für eine gesamtgesellschaftlich verantwortete Gesundheitsförderung.
Gleiche Chancen, gesund zu bleiben
Erwachsene mit geringem Einkommen und niedriger Bildung erkranken in Deutschland mehr als zweimal so häufig an einer Depression wie Erwachsene mit hohem sozioökonomischem Status. Kinder und Jugendliche sind psychisch deutlich auffälliger, wenn sie in einkommensschwachen Familien aufwachsen. Um sozial benachteiligte Menschen zu erreichen, greift der Gesetzentwurf zu kurz. Eine zunächst im Wesentlichen von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte und gesteuerte Prävention wird die Gesundheitschancen sozial benachteiligter Menschen nicht wesentlich verbessern. Ob und welche Ergebnisse die Abstimmung mit den anderen Sozialversicherungsträgern sowie Ländern und Kommunen in einer Nationalen Präventionskonferenz haben wird, muss abgewartet werden.
Psychotherapeutischen Sachverstand nutzen
Im Referentenentwurf wird psychotherapeutischer Sachverstand nicht adressiert. Dabei sind gerade die psychischen Erkrankungen ein Merkmal der Morbidität des 21. Jahrhunderts und psychische Belastungen die neuen gesundheitlichen Herausforderungen in der Arbeitswelt. Die BPtK hält es deshalb für erforderlich, die Kompetenz der über 40.000 Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland stärker für die Prävention und Gesundheitsförderung zu nutzen.
Gesundheitsuntersuchungen und Empfehlungen von Präventionsangeboten sollten nicht nur zu den ärztlichen, sondern auch zu den psychotherapeutischen Leistungen gehören. Gerade im Kontext der geplanten psychotherapeutischen Sprechstunde im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wäre dies eine notwendige Erweiterung des psychotherapeutischen Leistungsspektrums. Zeigen Patienten in einer solchen Sprechstunde Beschwerden, die (noch) nicht die Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllen, könnte der Psychotherapeut präventive Maßnahmen empfehlen. Daneben sollte psychotherapeutischer Sachverstand auch zur Veränderung gesundheitsschädlicher Lebensstile genutzt werden. Psychotherapeuten sind hier aufgrund ihrer Ausbildung die Spezialisten.
Kinder und Jugendliche
Die BPtK unterstützt die Ausweitung der Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen und die Möglichkeit der Ausstellung einer Präventionsempfehlung. Ist als Ergebnis der Früherkennungsuntersuchung eine weitere Abklärung erforderlich, sollte allerdings auch diese – bei negativem Befund – unmittelbar in eine Präventionsempfehlung münden können. Mit Blick auf die Verbreitung psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen sollte dazu auch die Sprechstunde in kinder- und jugendlichenpsychotherapeutischen Praxen einbezogen werden können. Damit könnte Kindern und Jugendlichen, deren Auffälligkeit sich in der psychotherapeutischen Abklärung als noch nicht krankheitswertig erweist, mit einer entsprechenden Präventionsempfehlung gezielt weitergeholfen werden.
Nationales Aktionsprogramm „Psychische Gesundheit“
Psychische Erkrankungen sollten in einen besonderen Fokus genommen werden. Um dabei einen umfassenden gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu realisieren, schlägt die BPtK ein ressortübergreifendes „Nationales Aktionsprogramm Psychische Gesundheit“ im Sinne von „Health in all Policies“ vor.
Veröffentlicht am 26. November 2014