Weichenstellung für mehr Psychotherapie in der Psychiatrie
Erste Lesung des Krankenhauszukunftsgesetzes
Es bleibt beim gesetzlichen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine Mindestanzahl an Psychotherapeut*innen in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern vorzugeben. Dies geht aus dem Entwurf des Krankenhauszukunftsgesetzes (BT-Drs. 19/22126) hervor, das heute im Bundestag in erster Lesung beraten wird. Allerdings müssen die Mindestvorgaben nicht mehr je Krankenhausbett festgelegt werden. „Patient*innen in psychiatrischen Kliniken erhalten häufig nicht so viel Psychotherapie angeboten, wie es nach Leitlinien erforderlich ist“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Deshalb sind Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen, die nicht unterschritten werden dürfen, überfällig. Es ist schon viel zu viel Zeit verstrichen, ohne dass der Auftrag, der bereits im November 2019 an den Gemeinsamen Bundesausschuss erteilt wurde, ernsthaft beraten wurde.“
Der gesetzliche Auftrag verfolgt zwei Ziele. Zum einen sollen Psychotherapeut*innen entsprechend ihrer Qualifikation mit ihrem Aufgabenprofil in der Personalausstattungs-Richtlinie für Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) verankert werden. In der bisherigen Richtlinie werden Psychotherapeut*innen nach wie vor nur als Psycholog*innen geführt. „Psychotherapeut*innen können jedoch aufgrund ihrer Ausbildung weitergehende und verantwortlichere Aufgaben als Psycholog*innen ohne Approbation übernehmen. Das tun sie auch längst“, erläutert der BPtK-Präsident.
Zum anderen soll der Stellenwert der Psychotherapie in der Versorgung psychisch kranker Menschen gestärkt werden. Evidenzbasierte Leitlinien empfehlen heute Psychotherapie bei allen psychischen Erkrankungen mit hohen Empfehlungsgraden, auch bei schweren psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Psychosen oder chronischen Depressionen. Mit der neuen PPP-Richtlinie sollen rechnerisch 50 Minuten Einzelpsychotherapie am Stück oder in kürzeren Einheiten pro Woche und Patient*in möglich sein. Das ist zwar fast doppelt so viel wie die 29 Minuten pro Patient*in und Woche, die in der überholten Psychiatrie-Personalverordnung in der Regelbehandlung vorgesehen waren. Selbst die 50 Minuten bleiben jedoch deutlich hinter dem Umfang an Psychotherapie zurück, den Expert*innen für notwendig halten.
»Schon in der ambulanten Behandlung erhalten Patient*innen in der Regel mindestens 50 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche. Psychiatrische Kliniken sollen jedoch gerade eine intensivere Behandlung von psychisch kranken Menschen ermöglichen“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. „Die Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen müssen zu einer substanziellen Erhöhung der Zeit für Psychotherapie in psychiatrischen Krankenhäusern führen.“
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Veröffentlicht am 10. September 2020