Bundestag regelt Zwangsbehandlung in der Psychiatrie neu
BPtK: „Nicht alle Schutzmaßnahmen ausgeschöpft“
Der Deutsche Bundestag hat am 17. Januar 2013 die Zwangsbehandlung von psychisch kranken Patienten neu geregelt. Danach sind Zwangsbehandlungen als „allerletztes Mittel“ möglich. Eine psychiatrische Zwangsbehandlung darf nur im Rahmen einer stationären Unterbringung erfolgen, eine ambulante Zwangsbehandlung bleibt weiterhin unzulässig. Eine Behandlung gegen den Willen eines Patienten darf nur unter engen Voraussetzungen und nur mit Einwilligung eines Betreuers durchgeführt werden, die zusätzlich vom Gericht genehmigt werden muss. Ein Betreuer wird vom Gericht als gesetzlicher Vertreter für Menschen bestellt, wenn diese keine rechtsverbindlichen Erklärungen abgeben können.
„Der Gesetzgeber hat längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Patienten vor psychiatrischen Zwangsbehandlungen zu schützen“, kritisiert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die neue Regelung. Es fehlt aus Sicht der BPtK eine Regelung, die insbesondere psychiatrische Krankenhäuser verpflichtet, Patienten mit wiederkehrenden psychischen Erkrankungen, eine Behandlungsvereinbarung anzubieten. Mit einer Behandlungsvereinbarung kann ein Patient rechtlich verbindlich festlegen, wie er für den Fall, dass er nicht einsichtsfähig sein sollte, behandelt und damit auch, wie er nicht behandelt werden möchte.
Nach Ansicht der BPtK sollten befürchtete gesundheitliche Schäden für Patienten nicht durch Zwangsmaßnahmen, sondern durch andere therapeutische Maßnahmen vermieden werden. So kann eine Zwangsbehandlung in vielen Fällen durch eine intensive 1:1-Betreuung ersetzt werden. Zwar hat der Gesetzgeber dies zumindest teilweise aufgegriffen, wenn er vorschreibt, dass zuvor versucht worden sein muss, den Patienten von der Notwendigkeit der Behandlung zu überzeugen. Aber er hat die Chance nicht genutzt, Menschen in schweren psychischen Krisen generell vor Zwangsmaßnahmen, etwa durch besondere Vorschriften, zu schützen.
Die Einwilligung des „Betreuers“ in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist insgesamt an die folgenden Voraussetzungen gebunden:
Die Einwilligung des Betreuers kommt nur bei einem krankheitsbedingt einwilligungsunfähigen Betreuten in Betracht.
Die Einwilligung setzt voraus, dass zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen.
Die Einwilligung des Betreuers muss zur Abwendung eines dem Betreuten drohenden „erheblichen gesundheitlichen Schadens“ erforderlich sein.
Dieser erhebliche gesundheitliche Schaden darf nicht durch eine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden können.
Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme muss die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegen.
Die BPtK hatte im Verfahren Stellung bezogen und sich mit anderen erfolgreich dafür eingesetzt, das Gesetz nicht – wie ursprünglich geplant – im Rahmen eines bereits laufenden Gesetzgebungsverfahrens im Eilverfahren zu verabschieden.
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Veröffentlicht am 23. Januar 2013