Dem Tod ins Auge gesehen
Immer mehr deutsche Soldaten kehren mit einem Kriegstrauma zurück
Soldaten sind darauf trainiert, ihr Leben zu riskieren und selbst bei immenser Gefahr nicht der Angst, sondern Befehlen und militärischer Logik zu folgen. Doch nicht selten kehrt tödlicher Schrecken wochen- und monatelang immer wieder zurück - manchmal erst, wenn der Einsatz vorüber ist und der Alltag beginnt.
Immer mehr deutsche Soldaten kommen mit einem schweren psychischen Trauma von Auslandseinsätzen zurück. 2008 wurden 245 Soldaten wegen Posttraumatischer Belastungsstörungen, wie die langfristigen Erkrankungen in Folge von Gewalt und Todeserlebnissen im Fachjargon heißen, in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt. 2007 lag ihre Zahl noch bei 149 und 2006 bei 83 Patienten. Gewalt und Tod, die hautnah erlebt werden, verursachen seelische Schockzustände, die häufig erst langfristig ihr zerstörerisches Potenzial entfalten. "Ein psychisches Trauma kann das spätere Leben genauso beeinflussen wie eine nicht heilende Verletzung durch Granatsplitter", erklärte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). "Die seelischen Langzeitfolgen von Kriegs- und Katastropheneinsätzen gehören zu den am meisten unterschätzten Wunden der Soldaten."
Posttraumatische Belastungsstörungen lassen sich erfolgreich behandeln. Längst nicht alle Soldaten sind aber in der Lage, sich psychische Leiden einzugestehen. "Der innere Ehrenkodex hindert viele Soldaten daran, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Dunkelziffer der seelischen Erkrankungen beim Militär ist außerordentlich hoch", stellt der BPtK-Präsident fest. Studien aus den USA, den Niederlanden und den skandinavischen Ländern gehen davon aus, dass etwa jeder 20. Soldat mit Posttraumatischen Belastungsstörungen aus Kriegseinsätzen zurückkehrt.
Gründe für das noch übliche Verschweigen der Erkrankung sind nicht selten Angst, als Soldat versagt zu haben, aber auch Nachteile, die für die weitere Karriere befürchtet werden. "Seelischer Schmerz gehört zu den selbstverständlichen Erfahrungen eines jeden Soldaten", mahnt Rainer Richter. "Anonyme Telefone alleine reichen nicht aus, um erkrankte Soldaten zu erreichen. Was fehlt, ist eine systematische Betreuung möglichst schon während des Einsatzes." Gespräche über Todesangst dürften kein Tabu sein. "Ein Offizier, der davon berichten kann, wie er lebensgefährliche Situationen seelisch verarbeitet hat, ist die bessere Führungskraft."
Bisson J, Andrew M: Psychological treatment of post-traumatic stress disorder (PTSD). Cochrane Database of systematic reviews, 4, 2008.
Veröffentlicht am 11. Februar 2009