Diotima-Ehrenpreis 2011 an psychosoziale Zentren für Folteropfer
Staatsministerin Böhmer würdigt die Verdienste der Preisträger
Am 13. Mai 2011 hat die deutsche Psychotherapeutenschaft zum dritten Mal den Diotima-Ehrenpreis verliehen. Der diesjährige Preisträger ist die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF). Die BAfF wurde für ihre herausragenden Versorgungsleistungen von Flüchtlingen und Folteropfern geehrt. Der Preis wurde im Rahmen des 18. Deutschen Psychotherapeutentages bei einer Festveranstaltung übergeben.
Elise Bittenbinder, Vorsitzende der BAfF betonte, dass „Menschen, die in unserem Land Sicherheit suchen, selbstverständlich die professionelle Hilfe erhalten müssen, die sie brauchen, um die erlittenen seelischen Qualen zu verarbeiten“. Sie drückte ihre Freude darüber aus, dass die Psychotherapeutenschaft die Leistungen der psychosozialen Zentren anerkenne. Diese seien „es eher gewohnt, um die Anerkennung der Arbeit zu kämpfen, als sie zu erhalten“. In Ihrem Vortrag führte sie aus, dass die Arbeit mit Opfern von Folter sich in gesellschaftlichen, politischen, sozialen und ethischen Spannungsfeldern bewege. Obwohl man auf hochspezialisiertes Wissen zurückgreifen könne, sei es oft schwierig zu vermitteln, wie sich das enorme Leid durch die Folter auf die Psyche und das Leben der betroffenen Menschen auswirke. In der täglichen Arbeit sehe sie aber nicht nur die Schattenseiten der Menschheit, sondern auch die „enorme Lebensenergie vieler Flüchtlinge, die Kraft von Menschen, die oft ihr Leben eingesetzt haben, um eine Veränderung in ihrer eigenen Gesellschaft zu bewirken“.
In ihrem Grußwort dankte Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, den psychosozialen Zentren für deren Einsatz, Einfühlungsvermögen, Geduld und professionelle Hilfe für Flüchtlinge und Folteropfer. Böhmer betonte, dass eine zukunftsorientierte Integrationspolitik die sprachlichen, ökonomischen und kulturellen Potenziale von Zuwanderern nutzen solle. Grundlage hierfür sei sowohl das körperliche als auch das seelische Wohlbefinden der Zugewanderten. Die Wechselwirkung zwischen Gesundheit und Integration solle im Blick behalten werden, wenn die Gesundheitspolitik für Migrantinnen und Migranten weiterentwickelt werde. Gesundheit sei „eine grundlegende Voraussetzung für Integration, ebenso wie Integration eine Voraussetzung für eine angemessene gesundheitliche Versorgung ist“. Dabei solle insbesondere bei der psychotherapeutischen Versorgung beachtet werden, dass Menschen mit Migrationshintergrund medizinisches Personal vorfinden, das mit ihrer Herkunftssprache und -kultur vertraut ist. Böhmer zeigte sich erfreut darüber, dass „die Staatsangehörigkeitsprivilegien für den Erhalt einer Approbation (sog. „Deutschenvorbehalte“) bald gestrichen werden“.
»Die Behandlung von jährlich rund 8.300 Traumatisierten und Opfern organisierter Gewalt erfordert fundiertes Wissen und außergewöhnliche Feinfühligkeit“, begründete Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die diesjährige Wahl des Preisträgers. „Die psychosozialen Behandlungszentren für Flüchtlinge und Folteropfer bieten nicht nur herausragende Versorgungsleistungen, sondern tragen auch erheblich zur Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Behandlung dieser Menschen bei.“ Er würdigte auch den Idealismus und das ehrenamtliche Engagement vieler Mitarbeiter der psychosozialen Behandlungszentren. Ohne diese Zentren würden die betroffenen Menschen in Deutschland nur in den seltensten Fällen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Richter betonte, dass wir als aufnehmende Gesellschaft in der Verantwortung stehen, diesen Menschen ein lebenswertes Umfeld zu ermöglichen. Er äußerte sein Unverständnis darüber, dass „die psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen und Folteropfern in hohem Maße auf freiwilliges und ehrenamtliches Engagement angewiesen ist und keine nachhaltigere öffentliche Förderung erfährt“.
Prof. Dr. Jan Ilhan Kizilhan hob die Bedeutung kultursensitiver Kenntnisse und Kompetenzen in der Psychotherapie von Menschen mit Migrationshintergrund hervor. Jede Gesellschaft entwickle Techniken im Umgang mit Gesundheit und Krankheit und Vorstellungen über die Krankheitsursachen. Die damit zusammenhängenden Kenntnisse, sozialen Verhaltensnormen und konkreten Maßnahmen der Krankenbehandlung seien kulturspezifisch. Auf die Behandlung von Migrantinnen und Migranten mit psychischen Störungen seien die psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssysteme in Deutschland noch nicht ausreichend vorbereitet. Ziel sei die weiterführende Öffnung und Qualifizierung des Gesundheitssystems im Bereich der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung, um Menschen mit Migrationshintergrund mit denselben Qualitätsstandards und Heilerfolgen behandeln zu können wie Einheimische.
Alle Redner verwiesen auf das BPtK-Standpunktepapier zum Reformbedarf in der psychotherapeutischen Versorgung von Migranten. Staatsministerin Prof. Böhmer bezeichnete dies als „eine wichtige Grundlage für die politische Entscheidungsfindung“.
Downloads
Veröffentlicht am 23. Mai 2011