Kinder und Eltern in Beratungsstellen häufiger psychisch krank
Psychotherapie in der Jugendhilfe unverzichtbar
Kinder und Eltern, die Leistungen der Jugendhilfe erhalten, sind häufiger psychisch krank als Kinder und Eltern, die keine Leistungen der Jugendhilfe benötigen. Dies ist ein Ergebnis einer neuen Studie „Psychotherapeuten in der Jugendhilfe, einschließlich Erziehungsberatung“ der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Nach Einschätzung der befragten Psychotherapeuten leiden rund 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die in Beratungsstellen Hilfe suchen, unter einer psychischen Erkrankung. Dieser Anteil verdoppelt sich in stationären Jugendhilfeeinrichtungen auf fast 75 Prozent. Auch die Eltern der Kinder und Jugendlichen, die Leistungen der Jugendhilfe erhalten, sind nach Einschätzung der Befragten überdurchschnittlich häufig psychisch krank (Beratungsstellen 30 Prozent, stationäre Einrichtungen 53 Prozent).
»Psychotherapeutische Kompetenz wird in der Jugendhilfe dringend benötigt“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Psychotherapeutische Leistungen sind deshalb in der Kinder- und Jugendhilfe unverzichtbar. Dazu gehören die spezifische Diagnostik psychischer Störungen, die Indikationsstellung und fachgerechte Beratung, sowie psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche über mehrere Sitzungen. Ohne die Kompetenzen von approbierten Psychotherapeuten ist dies qualifiziert nicht zu leisten.“
Psychotherapeuten sind in vielen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Das größte Tätigkeitsfeld ist die Erziehungsberatung, in der rund die Hälfte der in der Jugendhilfe arbeitenden Psychotherapeuten beschäftigt ist. Über die Hälfte der Befragten übernehmen dabei formal oder informell Leitungs- und Führungsaufgaben. Nach dem Statistischen Bundesamt waren 2010 438 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) und 809 Psychologische Psychotherapeuten (PP) in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Dies entspricht ungefähr 10 Prozent aller angestellten Psychotherapeuten. Zu den Einrichtungen der Jugendhilfe zählen ambulante, vor allem Erziehungsberatungsstellen und stationäre Angebote wie Heime.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass ein großer und wachsender Nachwuchsbedarf besteht. Der Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen in der Jugendhilfe nehme zu. Zudem gebe es einen hohen Anteil älterer PP und KJP. Allerdings werde nur der kleinere Teil frei werdender PP- oder KJP-Stellen gezielt mit denselben Qualifikationen wiederbesetzt. „Deshalb ist es auch Aufgabe der Profession, den psychotherapeutischen Nachwuchs für eine Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen“, stellt BPtK-Präsident Munz fest.
Veröffentlicht am 26. Mai 2015