Kinder und Jugendliche nicht ausreichend berücksichtigt
Eckpunktepapier der Bundesregierung zum neuen Vertragsarztrecht
Die Flexibilisierung des Vertragsarztrechtes gehört zu den ersten gesetzgeberischen Initiativen der neuen Bundesregierung im Bereich der Gesundheitspolitik. Ziel der Eckpunkte ist es, u. a. Unterversorgungsprobleme im ambulanten Bereich zu lösen.
Die Bundesregierung schlägt im Eckpunktepapier vor allem zwei Maßnahmen vor, die die regionalen Defizite in der ambulanten Versorgung mildern sollen:
Die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses sollen so weiterentwickelt werden, dass die Anstellung von Ärzten in überversorgten Gebieten flexibler gehandhabt werden kann. Gedacht ist an eine Anhebung der bestehenden Leistungsbegrenzung für Vertragsarztpraxen.
Die Aufsichtsbehörden der Bundesländer sollen gesetzliche Krankenkassen bei nachgewiesener Unterversorgung veranlassen können, Einzelverträge mit Leistungsanbietern zu Lasten der Kassenärztlichen Vereinigungen zu schließen.
Beide Änderungen sind nur bedingt geeignet, die Unterversorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen zu beheben. Eine flexiblere Anstellung von Psychotherapeuten in Vertragsarztpraxen könnte zwar eine bessere Versorgung insbesondere in Ballungsgebieten ermöglichen. Da sie jedoch auf regionale Verwerfungen in überversorgten Gebieten zielt, kann sie eine strukturelle, flächendeckende Unterversorgung nicht beseitigen. Entscheidend wäre außerdem, dass bei der prozentualen Anhebung der Leistungsbegrenzung das Punkte- bzw. Zeitvolumen einer hauptberuflichen Tätigkeit am Vertragsarztsitz zu Grunde gelegt wird.
Die Einzelverträge zielen darauf, bei nachgewiesenen Versorgungslücken den Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen zu übertragen. Die Gesundheitsministerien der Bundesländer sollen befugt werden, gesetzliche Krankenkassen darauf zu verpflichten, Einzelverträge mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten abzuschließen - und zwar unabhängig vom Votum der Landesausschüsse, die von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen besetzt sind. Die dabei entstehenden Kosten hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen zu tragen. Eine Erhöhung der Gesamtvergütung ist nicht beabsichtigt.
Diese Option behebt bestenfalls langfristig und nur mit erheblichem bürokratischen Aufwand das strukturelle Versorgungsdefizit bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen. Außerdem hätten Vertragsärzte und Psychotherapeuten die Lasten eines systematisch unterschätzten Morbiditätsrisikos zu tragen.
Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert die Einführung von Mindestversorgungsgraden (Quotierung) oder besser noch eine getrennte Bedarfsplanung. Mit Einzelfalllösungen, wie von der Bundesregierung angedacht, lässt sich das Problem nicht lösen.
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Veröffentlicht am 21. Februar 2006