Klares Votum für Muster-Weiterbildungsordnung
8. Deutscher Psychotherapeutentag am 13. Mai 2006 in Frankfurt am Main
Am 13. Mai 2006 fand in Frankfurt am Main der 8. Deutsche Psychotherapeutentag statt. Die Hauptthemen waren die Verabschiedung einer Musterweiterbildungsordnung, die Anpassung der Psychotherapierichtlinien und das einstimmige Votum für den Master als Zugangsqualifikation zur Psychotherapieausbildung.
Muster-Weiterbildungsordnung
Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Delegierten des 8. DPT die Vorlage zu einer Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) für Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und-therapeuten. Gleichzeitig votierten sie für die "Klinische Neuropsychologie" als erste mögliche Zusatzqualifikation.
Vor der Verabschiedung führte der 8. DPT eine intensive Debatte über das Pro und Contra einer MWBO. Die Skeptiker formulierten die Sorge, dass eine MWBO zur Abwertung von Aus- und Fortbildung und mittelfristig in einer Einschränkung des Tätigkeitsspektrums führe. Die Befürworter hielten dagegen eine Entwertung von Aus- und Fortbildung nur dann für möglich, wenn mit dem Abschluss einer Weiterbildung eine Qualifikation bescheinigt werde, die bereits im Rahmen der Ausbildung vermittelt wurde oder im Wege der Fortbildung erwerbbar sei. Da jedoch die Profession selbst über ihre Weiterbildungsregelungen befinde, sei dieses Risiko durch die Profession selbst kontrollierbar. Weiterbildung solle und könne es nur geben für Versorgungsfelder, die im Rahmen der Ausbildung nicht vermittelt werden, die aber eine spezifische Qualifikation erfordern und für die es nachweisbar einen Versorgungsbedarf gebe.
Breiten Raum nahm die Befürchtung ein, dass das Tätigkeitsspektrum der Psychotherapie eingegrenzt oder aufgeteilt werden könne. Dies könnte dann der Fall sein, wenn über eine Weiterbildung Qualifikationen für ganze psychotherapeutische Gebiete oder Teilgebiete erlangt werden könnten, die letztendlich einem Fachpsychotherapeuten dem Weg ebneten. Dies liefe der Grundüberzeugung der Psychotherapeuten entgegen, dass Psychotherapie ein genuin ganzheitlicher Ansatz ist. Monika Konitzer, Vizepräsidentin der BPtK, machte darauf aufmerksam, dass die MWBO nur zu einer Regelung führe, die es erlaube, neben der Berufsbezeichnung "Psychologischer Psychotherapeut/in" und "Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in" eine zusätzliche qualifizierende Bezeichnung zu führen. Eine Beschränkung für Berufsangehörige, die nicht über diese Weiterbildung verfügen, entstehe daraus jedoch nicht. Niemand wolle eine Untergliederung der Psychotherapie in einzelne Fachgebiete.
Hauptargument für eine MWBO war die Neuropsychologie. Viele Redner betonten, dass die MWBO ein wichtiger Schritt sei, um die Neuropsychologie als psychotherapeutische Behandlungsmethode zu definieren. Dies läge nicht nur im Interesse der Psychotherapeuten, sondern insbesondere im Interesse der Patienten mit hirnorganisch bedingten psychischen Störungen. Diese schwerstkranken Patienten hätten ein Anrecht auf eine qualifizierte Versorgung. Handlungsbedarf bestehe, da der Gemeinsame Bundesausschuss die Neuropsychologie als Heilmittel diskutiere. Damit würde die Behandlung auf ein reines Training herabgestuft, das durch Ergotherapeuten erbracht werde. Eine solche Entwicklung wäre aber mit empfindlichen Qualitätseinbußen bei der Versorgung von schwerstkranken Patienten verbunden.
Die verabschiedete Muster-Weiterbildungsordnung sowie die Resolution zur Neuropsychologie können Sie unten auf dieser Seite herunterladen.
Anpassung der Psychotherapierichtlinien
Im Bericht des Vorstandes beschrieb Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, die Beratung der neuen Psychotherapierichtlinien als einen Kernbereich der Vorstandsarbeit im zurückliegenden halben Jahr. Der G-BA hatte im Januar angekündigt, die Psychotherapierichtlinien an die Weiterentwicklung des SGB V und insbesondere an die verabschiedete Verfahrensordnung anzupassen. Der G-BA hatte für die Abgabe einer Stellungnahme sehr enge Fristen gesetzt und Vertraulichkeit für seine Beschlussempfehlung verordnet.
Der BPtK ging es darum, einerseits den wissenschaftlichen Sachverstand ausreichend differenziert heranzuziehen. Anderseits war es das Ziel, unter Beachtung des Postulats der Vertraulichkeit die professionsspezifische Perspektive im Dialog zu entwickeln, zu bündeln und in den Beratungsprozess einzubringen. Das Ergebnis der Arbeit einer Expertenkommission, intensive Gespräche mit den Landeskammern, den Berufs- und Fachverbänden und die Diskussion auf dem Symposium der BPtK zur Anpassung der Psychotherapierichtlinien am 3. April hatten zu einem klaren Zielkatalog geführt, an den sich der Vorstand bei der Stellungnahme orientieren konnte.
Psychotherapie ist als ganzheitlicher Ansatz zu erhalten. Psychotherapeuten lehnen eine indikations- oder störungsspezifische sozialrechtliche Zulassung von Psychotherapieverfahren einhellig ab. Ziel einer Anpassung der Psychotherapierichtlinien sollte es sein, den Transfer neuer Ergebnisse der Psychotherapieforschung in die Versorgung zu erleichtern und zu ermöglichen. Der Grundsatz, Berufsrecht folgt Sozialrecht, muss auch hier angewendet werden.
In ihrer Stellungnahme an den G-BA konzentrierte sich die BPtK deshalb auf vier inhaltliche Schwerpunkte:
eine Beschreibung von Anwendungsbereichen, die für Erwachsenen sowie Kinder und Jugendliche unterschiedlich sind,
eine angemessene Operationalisierung des Kriteriums der Versorgungsrelevanz, die nicht allein an den bevölkerungsepidemiologischen Daten orientiert ist,
die ergänzende Aufnahme der bisherigen Anwendungsbereiche der Psychotherapie, die in der medizinischen Rehabilitation definiert sind, im Bereich der Kuration sowie
die Beachtung des Grundsatzes, dass Sozialrecht dem Berufsrecht folgt,
Als kritische Stimmen meldeten sich Frau Anni Michelmann und Herr Karl-Otto Hentze zu Wort. Sie hätten sich eine auf die rechtlichen Grundprobleme konzentrierte Stellungnahme gewünscht und insgesamt ein deutlicheres Wort der BPtK zu dem aus ihrer Sicht problematischen Verfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses. Andere Delegierte, z. B. Herr Hans-Jochen Weidhaas (Mitglied des Unterausschusses Psychotherapie), betonten demgegenüber, dass die Strategie einer selbstbewussten, fachlich-inhaltlichen Positionierung der BPtK erfolgreich sei.
Letztlich bestätigten die Delegierten des 8. DPT die für die Stellungnahme handlungsleitenden Ziele. Der Vorstand erhielt großen Zuspruch für sein Engagement, trotz des Postulats der Vertraulichkeit und der engen Fristen einen konstruktiven Diskurs innerhalb der Profession und mit der Wissenschaft zu organisieren.
Die Resolution zur Anpassung der Psychotherapierichtlinien finden Sie unten auf dieser Seite.
Master als Zugangsqualifikation zur Psychotherapeutenausbildung
Prof. Richter berichtete über die vielfältigen Bemühungen der BPtK auf Bundesebene, den Master-Abschluss zur Grundlage der Psychotherapeutenausbildung zu machen und dafür eindeutige Klarstellungen zu erreichen. Für die Gesundheitspolitik auf Bundes- und Landesebene lägen bereits eindeutige Voten vor, wie bei der Begrüßung der Delegierten zum 8. DPT durch Gerd Krämer, Staatssekretär des Hessischen Sozialministeriums, noch einmal unterstrichen wurde. In den Reihen der Kultusministerkonferenz seien allerdings noch Stimmen zu hören, die bei pädagogischen Grundberufen einen Bachelor-Abschluss für akzeptabel halten und einen entsprechend Abschluss auch als Zugangsqualifikation für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten befürworten.
Prof. Richter unterstrich, dass Psychotherapie für Kinder keine "kleine" Psychotherapie sei, die geringere Anforderungen an die Qualifikation stelle als Psychotherapie für Erwachsene. Es gehe darum, gerade den Kultusbereich dafür zu sensibilisieren, dass die qualitätsgesicherte Versorgung von Kindern und Jugendlichen, genauso wie die von Erwachsenen, die Rezeption einer dynamischen Wissenschafts- und Fachdisziplin notwendige mache. Hierzu qualifiziere ausschließlich der Master-Abschluss.
Die Delegierten des 8. DPT unterstützten den Vorstand in diesem Bemühen. Sie forderten, die Gesundheits- und Hochschulpolitiker auf Bundes- und Landesebene auf, sich für einen Master-Abschluss als bundesweit einheitliche Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einzusetzen. Gerade Kinder brauchten besonderen Schutz und verdienten kompromissloses Engagement für eine bestmögliche Gesundheitsversorgung.
Die Resolution "Master-Abschluss als Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten" kann unten auf dieser Seite herunter geladen werden.
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz
Prof. Richter ging kurz auf die zentralen Aspekte des Referentenentwurfs zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ein. Er unterstrich insbesondere die Notwendigkeit, die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher zu verbessern, für die es nicht genügend Behandlungsplätze gäbe. BPtK-Vorstandsmitglied Peter Lehndorfer berichtete über die unterschiedlichen Initiativen, die die BPtK im letzten halben Jahr ergriffen hat, um die Politik, Krankenkassen und die KBV für dieses Problem zu sensibilisieren. Der 8. DPT verabschiedete eine Resolution (siehe Seitenende), die den Vorstand in dieser Arbeit unterstützt. In der Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher gebe es gravierende Versorgungslücken. Lange Wartelisten und Therapien, die zu spät kommen, führten dazu, dass Kinder chronische psychischer Erkrankungen entwickeln und massive Beeinträchtigungen in ihrer schulischen Entwicklung erleiden und vermeidbare stationäre Behandlungen und Maßnahmen erforderlich werden. Das alles seien seit Langem bekannte Notlagen, für die dringend eine Lösung gefunden werden müsse. Der 8. DPT forderte in seiner einhellig verabschiedeten Resolution, für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eine Mindestquote von 20 Prozent in der Bedarfsplanung vorzusehen. Die im Referentenentwurf angedachten Lösungskonzepte reichten nicht aus, um dieses Problem zu lösen.
Finanzen - Entlastung des Vorstandes
BPtK-Vorstandsmitglied Hermann Schürmann berichtete den Delegierten über den Jahresabschluss 2005. Die Vermögensstruktur der BPtK sei nach der vorliegenden Bilanz insgesamt positiv. Die Betriebsmittelrücklage liege Ende 2005 über der Sollvorgabe. Rainer Ulrich bestätigte als Vorsitzender des Finanzausschuss diese Ein-schätzung zur Haushaltslage der BPtK. Er informierte die Delegierten über die Forderung des Finanzausschusses, künftig auf der Basis einer vom Vorstand vorzulegenden mittelfristigen Finanzplanung über die personellen und finanziellen Ressourcen diskutieren zu können. Die Entlastung des Vorstandes zum Haushaltsjahr 2005 war einstimmig.
BPtK-Satzungsänderung
Der 8. DPT diskutierte die von der Satzungskommission vorgelegten Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Satzung der Bundespsychotherapeutenkammer. Hans Bauer, BPtK-Vizepräsident und Mitglied der Satzungskommission, erläuterte Vorschläge, die Aufgabenbereiche und Fristen für die Versammlungsleitung und den Vorstand sowie in den Länderrat zu entsendenden Vertreter der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten neu zu regeln.
Diese Anträge wurden von den Delegierten gebilligt. Auch zum Finanzausschuss und zu einzelnen Haushaltsfragen wurden Klarstellungen, die die Satzungskommission bzw. der Finanzausschuss vorgeschlagen hatte, verabschiedet. Vertagt wurden die von der Satzungskommission entwickelten Neuregelungen zu den Kompetenzen des Länderrates, zur verstärkten Einbeziehung der Ausschüsse und Kommissionen der BPtK in die Vorstandsarbeit und eine Stärkung der Vertretung von Psychotherapeuten in Ausbildung auf Landes- und Bundesebene.
Nachwahl für ein Mitglied des PTI-Ausschusses
Für den PTI-Ausschuss wurde die Nachwahl eines Mitglieds notwendig, da Gabi Derichs ihre Mitarbeit aus persönlichen Gründen beenden musste. Der Vorstand und die Delegierten dankten Frau Derichs für ihre Arbeit und wählten, um für den PTI-Ausschuss die spezifische Qualifikation einer Psychotherapeutin, die im Bereich der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen arbeitet, zu erhalten, Andrea Küther zur Nachfolgerin.
Resolutionen
Neben den Resolutionen zur Anpassung der Psychotherapierichtlinien, zur Neuropsychologie, zur Unterversorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und zum Master-Abschluss als Zugangsvoraussetzung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten verabschiedete der 8. DPT eine Resolution zur Stärkung der Drogenprävention im Kindes- und Jugendalter und zur Gesprächspsychotherapie, welche hier ebenfalls zum Download bereit stehen.
Downloads
- Muster-Weiterbildungsordnung (verabschiedet auf dem 8. DPT)
0.2 MB
- Resolution: Ambulante Versorgung von Patienten mit hirnorganisch bedingten psychischen Störungen sichern
0.1 MB
- Resolution: Anpassung der Psychotherapierichtlinien
0.1 MB
- Resolution: Drogenprävention im Kindes- und Jugendalter verstärken
0.1 MB
- Resolution: Gesprächspsychotherapie in die GKV-Versorgung
0.1 MB
- Resolution: Master-Abschluss als Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
0.1 MB
- Resolution: Versorgungssituation für psychisch kranke Kinder und Jugendliche verbessern
0.1 MB
Veröffentlicht am 17. Mai 2006