Qualifizieren für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen
BPtK-Symposium: Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung
Das Psychotherapeutengesetz ist reformbedürftig. Gravierende Veränderungen bei den Hochschulabschlüssen, prekäre Lebensverhältnisse der Ausbildungsteilnehmer durch problematische Ausbildungsbedingungen und gestiegene Anforderungen in der ambulanten und insbesondere der stationären Versorgung von psychisch kranken Menschen machen eine Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für die Qualifizierung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erforderlich. Auf einem Symposium am 8. Juli 2016 in Berlin diskutierte die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die im Rahmen ihres Projektes Transition von der Profession erarbeiteten Reformvorschläge mit einer breiten Fachöffentlichkeit. Ende des Sommers wird ein Entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit erwartet. Ziel des Symposiums war es, mit den verschiedenen Akteuren der Gesundheits- und Wissenschaftspolitik auf Bundes- und Landesebene ins Gespräch zu kommen. Ein weiteres Symposium wird im November folgen.
Das Psychotherapeutengesetz: Meilenstein und Reformbaustelle
Das Psychotherapeutengesetz aus dem Jahr 1998 sei ein Meilenstein für die ambulante psychotherapeutische Versorgung in Deutschland gewesen, stellte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz eingangs fest. Damals wurden mit den Psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zwei neue akademische Heilberufe geschaffen und in das System der Kassenärztlichen Vereinigungen integriert. Wesentliches Ziel war, die Versorgung psychisch kranker Menschen zu verbessern.
Dieses Ziel habe man erreicht, erläuterte BPtK-Präsident Munz, doch inzwischen gebe es zahlreiche Gründe, weshalb das Psychotherapeutengesetz dringend reformiert werden müsse. Die Bologna-Reform habe zu föderalen Ungleichheiten geführt. Im Gegensatz zu den anderen akademischen Heilberufen gebe es keinen bundeseinheitlichen Berufszugang mehr. In einigen Bundesländern, in denen ein Bachelorabschluss als Voraussetzung zur postgradualen Ausbildung reiche, drohe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut zum Heilberuf zweiter Klasse degradiert zu werden. Unzureichende Regelungen im Psychotherapeutengesetz hätten zudem eine prekäre finanzielle Situation der Psychotherapeuten in Ausbildung zur Folge. Diese arbeiteten heute jahrelang als Akademiker ohne Anspruch auf Vergütung und würden psychotherapeutische Leistungen im Praktikantenstatus erbringen. Außerdem sei ihr Status zur Ausübung der Heilkunde rechtlich unklar. Und schließlich habe die Fokussierung der praktischen Ausbildung auf die damaligen Anforderungen in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung zur Folge, dass die Ausbildung nicht ausreichend auf die heutige Breite der psychotherapeutischen Versorgung, insbesondere im stationären Sektor, vorbereite.
Um die Berufe der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zukunftsfähig zu machen, brauche es eine grundlegende Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung, forderte Munz. Er schlug vor, die Details einer Novelle mit dem Ziel eines Psychotherapiestudiums mit Approbation und anschließender Weiterbildung zum Erwerb der Fachkunde in Alters- und Verfahrensspezialisierungen zu prüfen. Der 25. Deutsche Psychotherapeutentag habe sich bereits 2014 dafür ausgesprochen, die Möglichkeit einer umfassenden Reform zu erkunden. Im Projekt Transition der BPtK würden seitdem Reformdetails geklärt - mit breiter Beteiligung der Profession und unter Nutzung externer Expertise. Im Mittelpunkt stünden dabei Inhalte, Organisation und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung.
In der Debatte mit der Ärzteschaft zeichneten sich bereits die künftige Legaldefinition, die Berufsbezeichnung und die Rolle eines Wissenschaftlichen Beirates als zentrale Punkte ab. Munz versicherte, dass es nicht das Ziel der BPtK sei, die Psychotherapie für sich alleine zu beanspruchen. Es werde ein gemeinsamer Wissenschaftlicher Beirat gebraucht, in dem Ärzte und Psychotherapeuten mit gleichen Rechten und Pflichten zusammenarbeiteten. Um die künftige Berufsbezeichnung werde bereits eine intensive Debatte geführt. Hier müsse eine gemeinsame Bezeichnung für die heutigen Berufe der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gefunden werden, die für Patienten transparent sei.
"Psychische Gesundheit" zu erhalten oder wiederzuerlangen, gehöre zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dafür brauche es gut ausgebildete und entsprechend in der Versorgung aufgestellte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Die Reform sei hierfür ein wichtiger Baustein. Sie gebe der Profession die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation eigenständig in einer Weiterbildung zu regeln. Diese solle den Versorgungsbedarf bei psychischen Erkrankungen für alle Indikationen der Psychotherapie und alle Altersgruppen umfassen und den Anforderungen von der Prävention bis zur Rehabilitation in allen Sektoren gerecht werden.
Anforderungen an das Approbationsstudium
Ein psychotherapeutisches Approbationsstudium bedeute im Kern, der beruflichen Qualifikation der Psychotherapeuten eine neue Struktur zu geben, die sich an der Struktur anderer akademischer Heilberufe orientiert, stellte Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK, fest. Dieses Studium, das zur Approbation führe, müsse auf Masterniveau, also auf Niveau 7 des Europäischen Qualifikationsrahmens, und mit Staatsexamen abschließen. Ziel dieses Studiums sei es, wissenschaftlich und praktisch für eine eigenverantwortliche psychotherapeutische Tätigkeit zu qualifizieren. Hierfür seien eine wissenschaftliche Infrastruktur und ausreichende - auch klinische - praktische Ausbildungsanteile unverzichtbare Voraussetzungen. Es komme nicht auf eine Durchregulierung bis auf jede Unterrichtsstunde an, sondern darauf, sicherzustellen, dass im Studium für das erforderliche Kompetenzprofil ausgebildet werde. Um dies bundesweit einheitlich und staatlich kontrolliert zu erreichen, müsse am Ende des Studiums ein Staatsexamen stehen. Das Studium solle über kompetenzbasierte Ausbildungsziele sowie eine Approbationsordnung definiert werden. Damit würden inhaltliche und strukturelle Mindestanforderungen festgelegt, die den Hochschulen noch Spielräume bei der Umsetzung lassen. Dies sei eine zeitgemäße Möglichkeit, bundeseinheitliche Anforderungen an die Ausbildung eines akademischen Heilberufs mit der aktuellen hochschulpolitischen Entwicklung in Einklang zu bringen und neue Studiengänge auch in der Bachelor-Master-Systematik zu ermöglichen.
Die Approbation berechtige zu einer anschließenden Weiterbildung, die hauptberuflich bei angemessener Bezahlung unter Anleitung und Supervision stattfinde. Dort werde insbesondere die Fachkompetenz für die Zulassung in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung erworben, erläuterte Melcop. Erst nach der Weiterbildung könnten Psychotherapeuten dann eigenverantwortlich Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen. Für nicht geeignet halte er den Vorschlag, Psychotherapeuten nach dem Studium in einer 2. Ausbildungsphase, also einer Art Referendariat, weiter zu qualifizieren. Dabei würde an Stelle einer Weiterbildung ein am Staatsdienst orientierter Berufsvorbereitungsdienst mit einem abschließenden 2. Staatsexamen stehen. Dies wäre jedoch ein Weg der Qualifizierung von Heilberufen, der nicht in die vorhandenen Strukturen passe und keinerlei Vorteile mit sich bringe. Weder wolle man im Staatsdienst für den Staatsdienst qualifizieren noch sei ein Referendariatsgehalt für eine mehrjährige Tätigkeit, in der Versorgungsleistungen erbracht werden, angemessen und aus Steuergeldern zu finanzieren.
Neues schaffen und politikfähig bleiben
In der Diskussion unterstrich Dr. Matthias Gruhl, Amtsleiter in der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, den grundlegenden Reformbedarf. Das Psychotherapeutengesetz habe unter heftigen Geburtswehen gelitten. Nun brauche es eine Reform mit einer den anderen akademischen Heilberufen gleichwertigen und damit vollwertigen akademischen Ausbildung. Das Ziel des neuen Approbationsstudiums werde von den Ländern geteilt. Die Zeit des Studiums müsse genutzt werden, um die Studierenden für die Anforderungen der Patientenversorgung zu qualifizieren. Eine Schmalspurausbildung sei undenkbar für einen vollwertigen Heilberuf. Es sei selbstverständlich, dass die Studierenden Patienten sehen.
Die vorliegenden Vorschläge griffen wichtige Aspekte auf, wie die Vermittlung der notwendigen Verfahrensvielfalt und die Berücksichtigung notwendiger Kenntnisse aus Psychologie, Erziehungswissenschaft und sozialer Arbeit. Allerdings warnte Gruhl vor zu viel Rücksichtnahme auf die Studiengänge, die heute den Zugang zu den postgradualen Ausbildungen ermöglichen. Wenn es das Ziel der Profession sei, für einen akademischen Heilberuf auszubilden, dann müsse man sich fragen, ob die Möglichkeit einer zukünftigen Qualifikation auch über Fachhochschulen eine kluge Weichenstellung sei.
Gruhl würdigte, dass mit den vorliegenden Entwürfen Politikfähigkeit bewiesen werde. Allerdings werde mit einer Öffnung für die Bachelor-Master-Systematik im Vergleich zu den anderen akademischen Heilberufen Neuland betreten. Am Ende werde man sehen müssen, wie Hochschul- und Gesundheitspolitik mit der Aufgabe umgehen, die einheitliche Struktur von Staatsexamensstudiengängen und die Breite und Flexibilität der Bologna-Studiengänge miteinander in Einklang zu bringen. Bei der Reform der Pflegeausbildung hätten beide jedoch auch einen Kompromiss gefunden.
Prof. Dr. Markus Bühner, Vorsitzender des Fakultätentages Psychologie (FTPs), sah in den Konzepten der BPtK insgesamt große Übereinstimmungen mit den Vorstellungen der psychologischen Fakultäten. Als problematisch innerhalb eines Bachelor-Master-Systems schätzte er den Plan eines ganzen Praxissemesters am Ende des Studiums ein, weil dadurch die Strukturvorgabe von maximal zehn Semestern für konsekutive Bachelor-/Masterstudiengänge verletzt werde. Die Vorschläge des FTPs zeigten, dass ausreichende Praxiskompetenz auch innerhalb von zehn Semestern vermittelt werden könne. Bühner betonte die Notwendigkeit, dass das Approbationsstudium, wie bei anderen akademischen Heilberufen, grundsätzlich an einer Universität durchgeführt werden müsse. Nur dort sei die erforderliche wissenschaftliche Infrastruktur gesichert.
Prof. Dr. Michael Borg-Laufs vom Fachbereichstag Soziale Arbeit und dem erziehungswissenschaftlichen Fakultätentag sah in der Strukturanforderung "Universität" eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Fachhochschulen. Er hob die Bedeutung der erziehungswissenschaftlichen und sozialpädagogischen Fachbereiche für die heutige psychotherapeutische Ausbildung hervor. Auch künftig müssten alle Hochschulen, die die in einer Approbationsordnung festgelegten Studieninhalte anbieten könnten, für ein Approbationsstudium zugelassen werden können. Eine rein formale Unterscheidung zwischen Universitäten und Fachhochschulen widerspreche den Zielen von Bologna und werde von der Wissenschaftspolitik sicher nicht unterstützt.
In der Diskussion gab es viel Zustimmung zu den von der BPtK vorgestellten Vorschlägen eines Direktstudiums. Einige Beiträge schlossen sich der Kritik von Gruhl an und wünschten sich mehr Unterstützung für einen neuen Staatsexamensstudiengang, der enge Vorgaben vor allem für die Anforderungen an eine verfahrensbezogene, praxisorientierte Lehre macht. Andere sahen weiteren Klärungsbedarf bei der Frage, wie die Ausbildungsqualität bei Quereinstiegen und hinreichende Kapazitäten bei den Übergängen zwischen den Ausbildungsabschnitten gesichert werden könnten. Thema war auch die Gestaltung der Staatsprüfung. Hier befürworteten einige ein rein mündlich-praktisches Examen, das vor allem Handlungskompetenzen nach dem Praxissemester prüfe.
Anforderungen an die psychotherapeutische Weiterbildung für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen
Dr. Andrea Benecke, Mitglied im BPtK-Vorstand, und Peter Lehndorfer, Vizepräsident der BPtK, stellten die Entwürfe einer künftigen Weiterbildung vor, die in den verschiedenen Arbeitsgruppen der BPtK erarbeitet worden sind.
Die künftige Weiterbildung müsse für den breiten Indikationsbereich der Psychotherapie qualifizieren. Evidenzbasierte Leitlinien dokumentierten das aktuell breite Indikationsspektrum von Psychotherapie. Psychotherapie gehört heute bei den meisten psychischen Erkrankungen zu den empfohlenen Behandlungen, oft ist sie die Behandlung der ersten Wahl. Außerdem verfügten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten heute über mehr Befugnisse als bei Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes 1998. Sie könnten ihre Patienten zum Beispiel bei akuter Suizidalität in ein Krankenhaus einweisen oder Soziotherapie und Rehabilitationsleistungen verordnen. Neben einem größeren Angebot an Gruppentherapie werde zukünftig auch eine größere Variabilität der Leistungen von Akutversorgung über Kurz- bis zur Langzeittherapie gefordert sein. Die Qualifizierung der Psychotherapeuten müsse aber insbesondere an die Anforderungen im stationären Bereich angepasst werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss erarbeite aktuell verbindliche Personalanforderungen für Psychiatrie und Psychosomatik. Das neue Psych-Entgeltsystem werde die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass eine stärker leitlinienorientierte Versorgung in den Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik möglich werde. Dies bedeute implizit eine stärker psychotherapeutisch ausgerichtete Versorgung. Der Stellenwert der Psychotherapie werde also in der stationären Versorgung wachsen. Die Profession solle sich hierauf mit der Reform der psychotherapeutischen Weiterbildung einstellen.
Die drei Leitgedanken zur Gestaltung der Weiterbildung seien Spezialisierung, Koordinierung und Flexibilisierung. Ziel der Vorschläge sei es, die Breite der Kompetenzanforderungen aus der Versorgung in der Weiterbildung abzubilden mit Spezialisierung auf die Fachgebiete "Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen" oder "Psychotherapie mit Erwachsenen" und der Vertiefung eines Psychotherapieverfahrens zum Erwerb der verfahrensbezogenen Fachkompetenz. Dabei solle die Breite der Versorgung berücksichtigt werden mit obligatorischen Tätigkeiten in der ambulanten und stationären Versorgung sowie Weiterbildungszeiten in weiteren psychotherapeutischen Arbeitsfeldern wie der Jugendhilfe, Suchthilfe oder Gemeindepsychiatrie. Dabei müsse auch der Erwerb von Berufserfahrung mit berufsübergreifender und interdisziplinärer Koordination und Kooperation sowie in Prävention und Rehabilitation einen festen Platz in der Weiterbildung haben. Die Kompetenzen sollten die künftigen Psychotherapeuten während einer mindestens fünf Jahre währenden Berufstätigkeit erwerben. Nur so könnten praktische Erfahrungen in einem breiten Indikations- und Behandlungsspektrum, das auch lange und schwere Fälle miteinschließe, vermittelt und der Fachpsychotherapeutenstandard analog zum Facharztstandard für die Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten gesichert werden.
Der Leitgedanke der Koordinierung der Weiterbildung berücksichtige, dass es bei der Qualifizierung von Psychotherapeuten - vor allem beim Erwerb der Fachkompetenz für ein Psychotherapieverfahren und in Bezug auf die Selbsterfahrung - einen besonderen Abstimmungsbedarf gebe. Hier müsse die erforderliche Koordinierung zwischen unterschiedlichen Weiterbildungsstationen sichergestellt werden, zum Beispiel durch übergreifende Weiterbildungscurricula und eine angemessene Verankerung der Weiterbildungsinstitute als Koordinatoren.
Mit dem dritten Leitgedanken, der Flexibilisierung der Weiterbildung, werde berücksichtigt, dass eine Weiterbildung in diesem Zeitraum auch mit einer wissenschaftlichen Qualifikation wie der Promotion oder mit ausreichenden Familienzeiten verbunden werden könne. Dafür schlage die BPtK explizit vor, statt einer Vollzeitweiterbildung eine Weiterbildung "in hauptberuflicher Stellung" vorzusehen.
Organisations- und Finanzierungsmodelle der Weiterbildung
Die Organisation und Finanzierung der ambulanten und stationären Weiterbildung untersuchen im Auftrag der BPtK das Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) und das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI). Prof. Dr. Jürgen Wasem und Dr. Anke Walendzik (EsFoMed) stellten das Konzept und erste Ergebnisse ihrer Expertise zur ambulanten Weiterbildung vor. Ziel der Expertise sei die Erarbeitung von Grundmodellen der Organisation und Finanzierung einer ambulanten Weiterbildung von Psychotherapeuten bei Einführung eines Approbationsstudiums mit anschließender Weiterbildung. Dazu würden entsprechende Grundmodelle unter Nutzung der Expertise insbesondere aus den Ausbildungsinstituten bewertet und zu Praxisbetriebsmodellen weiterentwickelt. Auf Basis von Literaturrecherchen und Experteninterviews seien inzwischen die Grundmodelle identifiziert worden.
In einem zweiten Schritt würden nun ausgewählte Organisations- und Finanzierungsmodelle bewertet. Die Grundmodelle reichten dabei vom einem "liberalen Modell", bei dem sich der Weiterbildungsteilnehmer Anbieter und Stätten für die geforderten Weiterbildungsteile selbst zusammenstellen könne, über ein "Koordinierungsmodell" für die ambulante Weiterbildung, bei der ein Weiterbildungsinstitut Lehre und Versorgungsleistungen während der ambulanten Weiterbildung koordiniert, bis hin zu einem "übergreifenden Koordinierungsmodell", bei dem ein Weiterbildungsinstitut alle Teile der Weiterbildung koordiniert.
Auf dem 29. Deutschen Psychotherapeutentag Mitte November 2016 sollten die Ergebnisse der Expertise vorgestellt werden, kündigte Wasem an. Dabei würden auch wichtige Aspekte wie die Steuerung von Weiterbildungskapazitäten oder die Finanzierung der Weiterbildung in Verfahren, die keine Richtlinienverfahren sind, berücksichtigt. Für den ambulanten Bereich sei bereits jetzt erkennbar, dass eine Zusatzfinanzierung erforderlich werde. Grund sei, dass für die Sicherung des Lebensunterhalts in der heutigen Ausbildung systematisch überhaupt keine Finanzierungsquelle vorgesehen ist. Dagegen würden die Versorgungsleistungen zumindest im Rahmen der praktischen Ausbildung bereits heute von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen und die Lehre in der Regel über Gebühren der Ausbildungsteilnehmer finanziert.
Die Interviews mit einer Auswahl an Trägern der Versorgung (insbesondere staatlich anerkannte psychotherapeutische Ausbildungsinstitute und Krankenhäuser) und Finanzierung (insbesondere Krankenkassen) seien abgeschlossen und die Daten für die Analyse gesammelt, Grundmodelle entwickelt und Kriterien für die Bewertung dieser Modelle sortiert worden. Die Ergebnisse würden gemeinsam mit Experten aus der Psychotherapeutenschaft und den Arbeitsgruppen der BPtK diskutiert. Am Ende sollten konkrete Analysen verschiedener Weiterbildungsmodelle einschließlich ihrer verschiedenen finanziellen, personellen und qualitativen Auswirkungen vorliegen.
Dr. Petra Steffen informierte über den Stand der Expertise des Deutschen Krankenhausinstituts zum Status quo und den Optionen einer künftigen psychotherapeutischen Weiterbildung im Krankenhaus. Ziel der Expertise sei eine Prognose des zeitlichen und finanziellen Aufwandes der künftigen Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten im Krankenhaus auf Basis einer Bestandsaufnahme der aktuellen Ausbildungssituation von Psychotherapeuten sowie der ärztlichen Weiterbildung. Darüber hinaus sollten mögliche Organisationsmodelle der zukünftigen Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten im Krankenhaus eruiert werden.
Weil die Daten noch nicht vollständig ausgewertet seien, zeigte Steffen exemplarisch ausgewählte und noch vorläufige Ergebnisse. Sie wies auf die Schwierigkeiten hin, eine größere Zahl von Krankenhäusern zur Mitarbeit und Bearbeitung des sehr umfangreichen Erhebungsbogens zu gewinnen. Auf Rückfragen zur Repräsentativität beziehungsweise Selektivität der befragten Häuser stellte Steffen klar, dass mit dem erreichten Rücklauf und den verfügbaren Daten nach gründlicher Validierung der Befunde unter Beteiligung weiterer Experten belastbare Prognosen vorgelegt werden könnten. Eine repräsentative Stichprobe sei gar nicht möglich gewesen und vermutlich hätten auch eher jene Häuser mitgemacht, die sich stärker bei der Ausbildung von Psychotherapeuten und Weiterbildung von Ärzten engagierten. Dies sei allerdings kein Nachteil, sondern ein Vorteil für die Expertise, da es nicht das Ziel der Reform sei, mit der künftigen Weiterbildung von Psychotherapeuten heutige Defizite im stationären Bereich fortzuschreiben. Mit den endgültigen Ergebnissen sei ebenfalls bis zum Deutschen Psychotherapeutentag im November zu rechnen.
Weiterbildung für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen
Auf dem anschließenden Podium unterstrich Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, dass eine hochwertige psychotherapeutische Weiterbildung auch aus ärztlicher Sicht notwendig sei. Diese müsse das ganze Spektrum von Psychotherapie abdecken einschließlich der Kompetenz, im stationären Bereich schwere und chronische Fälle behandeln zu können.
Ärzte und Psychotherapeuten stünden nicht in Konkurrenz, sondern hätten eine gemeinsame Versorgungsverantwortung. Die heutige Situation der Psychotherapeuten in Ausbildung sei bedrückend, aber im Rahmen der heutigen Ausbildungsstruktur und -finanzierung könne es keine bessere Lösung geben. Für die Schaffung der erforderlichen Weiterbildungskapazitäten im stationären Bereich sah sie gute Chancen mit dem neuen Psych-Entgeltsystem und einer Personalausstattung mit mehr Psychotherapie in Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik. Dabei stellte sie klar, dass auch die psychotherapeutische Qualifizierung der Ärzte in der Weiterbildung zu finanzieren sei.
Dr. Ulrike Worringen, Leitende Psychologin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, knüpfte ebenfalls positive Erwartungen an ein Approbationsstudium mit anschließender Weiterbildung. Stellen für eine zukünftige Weiterbildung seien in den Rehakliniken vorhanden beziehungsweise könnten verhandelt werden. Mit einer Reform würde die Praxis einzelner Rehabilitationsträger beendet, nicht Psychotherapeuten, sondern Psychologen für die psychotherapeutische Versorgung einzusetzen.
Worringen ging auch auf die geäußerte Sorge ein, nach einem Approbationsstudium könnten Approbierte ohne Weiterbildung in der Versorgung tätig werden. Das würde nach ihrer Einschätzung in den Rehakliniken durchaus so sein. Darin sehe sie aber keine Bedrohung, sondern eine positive Perspektive, denn diese Psychotherapeuten könnten im Team und unter Fachaufsicht wertvolle Arbeit leisten. Wenn künftig Approbierte in allen Rehabilitationseinrichtungen arbeiten würden, ergäbe sich ein erheblicher Qualifikationsgewinn im Vergleich zu den heute vielfach beschäftigten Diplom-Psychologen. Sie hoffe, dass durch die Weiterbildung von Psychotherapeuten in den Rehabilitationseinrichtungen und die damit verbundene Beschäftigung von Weiterbildungsbeauftragten beziehungsweise -befugten attraktive Arbeitsplätze für Psychotherapeuten in den Rehabilitationskliniken entstehen, die heute so noch nicht vorhanden seien. Natürlich müsse sich die bessere Qualifikation dann auch in den Gehältern widerspiegeln.
Barbara Lubisch sprach auf dem Podium als Vertreterin der Psychotherapeuten in den Kassenärztlichen Vereinigungen und unterstützte insbesondere die Forderung nach einer fünfjährigen Weiterbildung. Die Psychotherapie habe sich weiterentwickelt, das müsse sich in der Weiterbildung wiederfinden. Die zukünftige Qualifizierung müsse die Gruppenpsychotherapie, Psychosenpsychotherapie, die Versorgung chronisch psychisch kranker Menschen, die psychotherapeutische Sprechstunde und sozialmedizinische Kompetenzen umfassen. Dabei hätten Institute und ihre Ambulanzen eine wichtige Aufgabe, wobei Praxen niedergelassener Kolleginnen und Kollegen ggf. ergänzend einbezogen werden könnten.
Dr. Walter Ströhm knüpfte daran als Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der staatlich anerkannten psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute an. Er erinnerte daran, dass 1998 circa 100 Weiterbildungsinstitute die Ausbildung der Psychotherapeuten sicherstellten. Heute seien es circa 200 staatlich anerkannte Ausbildungsstätten. Dies sei eine Erfolgsgeschichte und es gehe darum, die Tradition in die nächste Runde zu tragen.
Für den ambulanten Bereich werde nach seiner Einschätzung eine Mindestweiterbildungszeit von zwei Jahren erforderlich sein. Die Qualität der Weiterbildung müsse der heute grundsätzlich guten Qualität der ambulanten Ausbildung mindestens entsprechen. Daher sei ein gestuftes Qualifizierungsmodell erforderlich, das nur durch eine koordinierte Weiterbildung durch Weiterbildungsinstitute umgesetzt werden könne, in denen Theorievermittlung, Supervision und Selbsterfahrung miteinander verschränkt würden. Ein Approbationsstudium sei eine Qualitätsverbesserung. Ohne Institute in der Weiterbildung wäre damit aber nichts gewonnen, vielmehr würde mit einem "liberalen Modell" der Weiterbildung ohne Institute dieser Vorteil des verschränkten Lernens wieder verspielt. Hinsichtlich der Finanzierung müsse man konzedieren, dass die Dienstleistung der Institute nicht teurer werde und heute bereits finanziert sei. Zu lösen sei die Frage der Vergütung der Psychotherapeuten in Weiterbildung.
In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass eine Berufstätigkeit in Kliniken, die mit einer Weiterbildung verpflichtend werden soll, für viele Psychotherapeuten in Ausbildung bereits heute Alltag sei. Ihre Arbeit parallel zur ambulanten Ausbildung oder während der Praktischen Tätigkeit in psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhäusern, zum Beispiel als Diplom-Psychologen, werde aber nicht oder nur zum Teil auf ihre Ausbildungszeit angerechnet. Angemerkt wurde auch, dass die Psychotherapeuten in Ausbildung bereits heute indirekt staatlich finanziert werden, auch über Zahlungen im Kontext des ALG I oder ALG II parallel zu ihrer Ausbildung, wenn sie einer Erwerbstätigkeit in dieser Zeit nicht nachgehen können. Prof. Wasem von EsFoMed griff diesen Aspekt auf, indem er deutlich machte, dass bei der Aufstellung von Finanzierungsmodellen für die künftige Weiterbildung nun zu berücksichtigen sei, was die Psychotherapeuten in Ausbildung heute alles eigenfinanzieren oder welche staatlichen Zuschüsse zukünftig notwendig seien, da parallel zu ihrer Ausbildung gar keine oder nur teilweise Erwerbstätigkeit möglich sei. Dies gelte es, auch bei neuen Organisations- und Finanzierungsmodellen zu berücksichtigen.
Vertreter ärztlicher Verbände sahen eine große Schnittstelle der Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung zu ärztlichen Tätigkeiten. Man habe den Eindruck, nicht gefragt zu werden, obwohl Psychotherapeuten in Weiterbildung künftig zum Beispiel zwei Jahre in den Kliniken arbeiten sollen. Man müsse miteinander reden. BPtK-Präsident Munz griff diesen Gedanken auf und erinnerte daran, dass Gespräche mit der Bundesärztekammer bereits aufgenommen worden seien. Man müsse nur erst intern klären, welche Position man habe: "Wir machen einen Umweg auf Sie zu."
Gemeinsam für eine erfolgreiche Reform
Der BPtK-Präsident schloss das Symposium damit, dass er bis Herbst einen Entwurf zur Novelle des Psychotherapeutengesetzes erwarte. Dies habe Bundesgesundheitsminister Gröhe erst kürzlich öffentlich bekräftigt. Die Profession sei daher gefordert, weiter intensiv an der Klärung der noch offenen Fragen zu arbeiten. Dazu gehöre insbesondere auch, Modelle für die Finanzierung vorzulegen. Heute lebe man bedingt durch die postgraduale Ausbildungsstruktur mit der Paradoxie, dass die Psychotherapeuten in Ausbildung dafür bezahlen müssten, dass sie etwas für die Patientenversorgung leisteten. Man sei aber auf einem guten Weg, hier mit der Reform zu Lösungen zu kommen.
Dabei stellte Munz klar, dass eine solche Reform für ihn nur erfolgreich sein könne, wenn sie das Lernumfeld der heutigen Ausbildungsinstitute aufrechterhalte: Gruppenprozesse, in denen Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer und Berufserfahrene in ständigem Austausch stehen können. Bisher sei die Diskussion intensiv berufsintern geführt worden, um im Projekt Transition zu gemeinsamen und realistischen Positionen zu kommen. Jetzt werde die Profession weiter auf die anderen Akteure, also Ärzteschaft, Krankenhäuser, Krankenkassen und Wirtschaft, aber natürlich insbesondere die Gesundheits- und Wissenschaftspolitik zugehen.
Die BPtK veranstaltet am 8. November 2016 in Berlin ein weiteres Symposium, zu dem Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, sowie Gesundheitspolitiker aus den Bundestagsfraktionen ihre Teilnahme zugesagt haben.
Veröffentlicht am 21. Juli 2016