Reform der Führungsaufsicht
Gesetz für entlassene Straftäter schießt über das Ziel hinaus
Der Gesetzentwurf, der die Wiedereingliederung von entlassenen Straftätern verbessern soll (Reform der Führungsaufsicht, BT-Drs. 16/1993), schießt über das Ziel hinaus. Der Gesetzgeber plant, dass Therapeutinnen und Therapeuten "Geheimnisse" von Patienten, die ihnen im Rahmen der Behandlung bekannt geworden sind, immer dann offenbaren müssen, wenn dies für die Aufgabenerfüllung des Gerichts, der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers erforderlich ist.
"Diese pauschale Formulierung öffnet Tür und Tor für Willkür und Missbrauch", kritisiert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). "Erfolgreiche Psychotherapie ist nur möglich, wenn der Patient in der Regel nicht befürchten muss, dass vertrauliche Gesprächsinhalte gegen ihn verwendet werden".
Das Bundesverfassungsgericht hat grundsätzlich festgestellt, dass die Schweigepflicht nicht nur die Privatsphäre eines Patienten schützt, sondern auch die Gewähr dafür ist, dass ein Arzt oder Psychotherapeut seinen Beruf gewissenhaft und wirksam ausüben kann (BVerfG 32, 373). Eine aktuelle Entscheidung des BVG betont, dass eine Weisung zur Schweigepflichtentbindung rechtswidrig ist (2 BvR 1349/05).
Die BPtK begrüßt dagegen die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Flexibilisierung der Nachsorge von Straftätern. Bei einer akuten Krankheitsverschlechterung soll ein Patient vorübergehend in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden können. Diese stationäre Krisenintervention erhöhe die Durchlässigkeit zwischen ambulanter und stationärer Betreuung. Bisher ist dafür ein Widerruf der Aussetzung zur Bewährung erforderlich, der von den Beteiligten oft als Scheitern der Rehabilitation erlebt wird.
Außerdem unterstützt die BPtK die Initiative, die Nachsorge durch forensische Ambulanzen auszubauen, um ein ausreichendes Therapieangebot für psychisch kranke Straftäter auch nach der Entlassung zu gewährleisten. Der Erfolg dieser Einrichtungen wird jedoch von der Verfügbarkeit hinreichend spezialisierter Fachkräfte abhängen. "Qualitätsgesicherte psychotherapeutische Angebote gibt es nicht zum Nulltarif", so BPtK-Präsident Richter. Die von der Bundesregierung erwartete "Kostenneutralität" des Gesetzes dürfte sich bestenfalls langfristig einstellen, wenn es tatsächlich zu einer deutlichen Senkung der Rückfallhäufigkeit kommt.
Downloads
Veröffentlicht am 14. November 2006