Wartezeiten in der ambulanten Psychotherapie
Studie der Universität Duisburg und der DPtV
Für eine ambulante Psychotherapie gibt es erhebliche Wartezeiten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Prof. Dr. Jürgen Wasem (Universität Duisburg) und die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) veröffentlicht haben.
Die Wartezeit auf einen Behandlungsplatz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten beträgt danach in Deutschland durchschnittlich knapp 80 Tage. Am längsten ist sie in Kleinstädten (104 Tage) und Mittelstädten (95,6 Tage). Überall ist sie länger als zwei Monate. Nur drei Prozent der Psychotherapeuten können unmittelbar einen ersten Termin anbieten. "Die Studie bestätigt die These von der Unterversorgung in der ambulanten Psychotherapie", stellte Prof. Wasem fest. "Nur die Hälfte der Psychotherapeuten führt überhaupt eine Warteliste", betonte DPtV-Vorsitzender Dieter Best. "Viele Psychotherapeuten verzichten auf eine Warteliste, wenn sie ihren Patienten nicht innerhalb von drei Monaten ein erstes Gespräch anbieten können."
Die Studie liefert Belege für Versorgungsunterschiede zwischen verschiedenen Patientengruppen. Alte Menschen und Menschen mit niedriger Schulbildung erhalten deutlich weniger Psychotherapie als der Durchschnitt. Während der Anteil der 61- bis 70jährigen mehr als elf Prozent an der Gesamtbevölkerung beträgt, machen sie nur vier bis fünf Prozent der Patienten in den psychotherapeutischen Praxen aus. Über 70jährige erhalten so gut wie keine Psychotherapie mehr. Menschen mit Abitur oder einem Hochschulabschluss sind unter den Patienten von niedergelassenen Psychotherapeuten überrepräsentiert, Menschen mit einem Hauptschulabschluss unterrepräsentiert. Während der Anteil der Menschen mit Hauptschulabschluss an der Gesamtbevölkerung rund 40 Prozent beträgt, haben nur knapp 20 Prozent der Patienten in der ambulanten Psychotherapie einen Hauptschulabschluss.
Jeder vierte Patient geht inzwischen direkt und aufgrund seines eigenen Entschlusses zu einem Psychotherapeuten. Noch einmal 15 Prozent kommen aufgrund einer Empfehlung von Freunden und Bekannten. Nur jeder zweite hat eine Überweisung durch einen Arzt (z. B. Hausarzt, Psychiater). "Deshalb könnte die stärkere Vernetzung und Verankerung im medizinischen System, insbesondere mit Hausärzten, ein Ansatz sein, die Versorgung von benachteiligten Gruppen zu verbessern", erläuterte Prof. Jürgen Wasem.
Psychotherapeuten bieten im Durchschnitt 24,5 Behandlungsstunden pro Woche an, was ungefähr 36 Arbeitsstunden entspricht. Die Stundenzahl ist bei männlichen Psychotherapeuten größer (28,1) als bei weiblichen (23,0). Der steigende Frauenanteil unter den Psychotherapeuten könnte deshalb zukünftig zu einem geringeren Angebot an ambulanten Psychotherapiestunden führen.
An der Studie nahmen knapp 2.500 niedergelassene Psychotherapeuten teil, die Mitglied der DPtV sind. Die Rücklaufquote betrug 33,3 Prozent. Das Durchschnittsalter der befragten Psychotherapeuten lag bei 51,8 Jahren. 61,8 Prozent der Befragten waren Verhaltenstherapeuten, 30,9 Prozent hatten ihre Fachkunde in tiefenpsychologisch fundierten Verfahren und 3,4 Prozent in psychoanalytischen Verfahren. Über zwei Drittel waren Frauen.
Links:
Veröffentlicht am 16. Februar 2011