Weichenstellungen für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen
24. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin
Der 24. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) fand am 17. Mai 2014 in Berlin statt. Seine zentralen Themen waren die Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen, die Reform der Psychotherapeutenausbildung sowie Anpassungen in der Musterberufsordnung.
Breite Unterstützung für das differenzierte Versorgungskonzept
Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), stellte den Delegierten das Konzept einer differenzierten Versorgung für psychisch kranke Menschen vor. Dieses war gemeinsam mit den Landespsychotherapeutenkammern sowie von Gremien der BPtK entwickelt worden.
Ausgangspunkt der Reformüberlegung sei das breite Spektrum unterschiedlicher Erkrankungen, das Psychotherapeuten im ambulanten und stationären Bereich versorgen könnten. Bislang sei dies Psychotherapeuten aufgrund eines einengenden gesetzlichen Rahmens nicht ausreichend möglich. Dafür seien eine Anpassung des psychotherapeutischen Leistungsangebots und die Aufhebung der Befugniseinschränkung für Psychotherapeuten notwendig. Die angestrebte Reform könne außerdem das Problem der monatelangen Wartezeiten auf eine ambulante psychotherapeutische Behandlung zumindest entschärfen. Für eine wesentliche Verkürzung der Wartezeiten komme man allerdings um eine wirkliche Reform der Bedarfsplanung nicht herum.
Psychotherapeutische Sprechstunde
Ein niedrigschwelliger und zeitnaher Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung könne künftig mithilfe einer psychotherapeutischen Sprechstunde ermöglicht werden, so BPtK-Präsident Richter. Innerhalb dieser Sprechstunden solle eine erste Diagnostik und – wenn fachlich möglich – eine vorläufige Indikationsstellung erfolgen, um den Patienten dann ein angemessenes Versorgungsangebot zu machen. Psychotherapeuten könnten so für ihre Patienten eine Art Lotsenfunktion übernehmen.
Ergänzende psychotherapeutische Leistungen
Notwendige Ergänzung der Sprechstunde sei ein differenzierteres ambulantes Versorgungsangebot der Psychotherapeuten. Neben diagnostischen Leistungen gehörten zur Erweiterung des Leistungsspektrums zum Beispiel geleitete Selbsthilfe und psychoedukative Gruppen, aber auch Krisenintervention und aufsuchende Behandlung.
Aufhebung der Befugniseinschränkung
Um im Rahmen der Sprechstunde Patienten bei der Suche nach adäquaten Versorgungsangeboten angemessen unterstützen zu können, müsse die Befugniseinschränkung in § 73 Absatz 2 SGB V aufgehoben werden. Psychotherapeuten sollten ihre Patienten ins Krankenhaus einweisen, Heilmittel sowie Rehabilitationsleistungen verordnen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen können.
Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Psychotherapie-Richtlinie
Die Psychotherapie-Richtlinie biete Patienten ein verlässliches psychotherapeutisches Angebot, das ihnen bei entsprechender Indikation auch intensivere und längere Behandlungen ermögliche, um wieder gesund zu werden, betonte Prof. Richter. Reformbedarf in der Richtlinie gebe es dennoch bei einer Reihe von einzelnen Punkten wie zum Beispiel bei der notwendigen Überarbeitung des Gutachterverfahrens, der Kombination von Einzel- und Gruppentherapie, der Möglichkeit, Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe anzubieten, sowie der Flexibilisierung der Behandlungskontingente und Behandlungsformen insbesondere für Patienten mit schweren, chronischen Beeinträchtigungen.
Multiprofessionelle ambulante Versorgungsnetze
Es fehle außerdem, so Richter, ein sektorenverbindendes Angebot an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Bereich. Die BPtK schlage vor, eine vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) moderierte Expertenkommission zu berufen, um Lösungskonzepte zum flächendeckenden Aufbau solcher sektorenverbindender Netze zu entwickeln.
Themen der Expertenkommission wären einheitliche bundesweite Vorgaben zur Sicherung der Struktur- und Prozessqualität der Versorgung, die Einbindung der psychiatrischen und psychosomatischen Institutsambulanzen in die Netze sowie die Beschreibung eines Spielraumes für die regionalspezifische Realisierung der Netze inklusive notwendiger ökonomischer Anreize.
Spezifische Aspekte der Versorgung von Kindern und Jugendlichen
Vorstandsmitglied Peter Lehndorfer erläuterte den Delegierten die notwendigen Anpassungen des Konzepts bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Kernpunkte seien die Vernetzung mit der Jugendhilfe, aber auch mit der Behinderten- und Sozialhilfe und die Möglichkeit einer ambulanten multimodalen Versorgung in der Psychotherapeutenpraxis (Sozialpsychotherapie-Vereinbarung).
Der DPT nahm das differenzierte Versorgungskonzept inklusive der Anpassung für Kinder und Jugendliche mit großer Zustimmung zur Kenntnis. Es sei wichtig, betonten Delegierte, Doppelstrukturen an der Schnittstelle zur Jugendhilfe, zur Gemeindepsychiatrie, aber auch zu den psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) zu vermeiden. Ziel sei eine abgestimmte Versorgung, die man sektoren- und kostenträgerübergreifend konzipieren müsse. Es gehe auch darum, die Trennung der Versorgung durch SGB V, VIII, IX und XII zu überwinden. Bisherige Erfahrungen lehrten, dass es nicht gut funktioniere, wenn der Aufbau integrierter Versorgung ausschließlich von einem Sektor verantwortet werde.
Bedarfsgerechte Inanspruchnahme und Versorgung
Jürgen Doebert, Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, berichtete den Delegierten von einer Auswertung der Abrechnungsdaten von niedergelassenen Psychotherapeuten.
Mehr als 60 Prozent der psychisch kranken Menschen erhalte eine Kurzzeittherapie. Außerdem zeige die Analyse, dass Psychotherapeuten und Patienten sehr verantwortungsbewusst mit den im Rahmen der Richtlinie zur Verfügung stehenden Kontingenten umgingen. Die Länge der Behandlungen orientiere sich, so Doebert, nicht an den zeitlichen Vorgaben der genehmigten Behandlungskontingente, sondern am individuellen Behandlungsbedarf der Patienten. Insgesamt zeigten die Daten, dass es für die Vorschläge des GKV-Spitzenverbandes, Psychotherapien willkürlich nach zwölf Stunden zu unterbrechen und insgesamt die Leistungen der Psychotherapie-Richtlinie zu rationieren, keine empirische Grundlage gebe.
Reformkurs der BPtK zur stationären Versorgung bestätigt
Integraler Bestandteil eines differenzierten Versorgungskonzeptes sind auch Reformvorschläge zur stationären Versorgung. Hierzu legte der BPtK-Vorstand ein eigenes Positionspapier „Qualität der stationären Versorgung psychisch kranker Menschen sichern und weiterentwickeln“ vor. Prof. Richter stellte den Delegierten auch dieses Konzept vor und beschrieb die intensive Debatte der zurückliegenden Monate zur Weiterentwicklung des pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP).
Pauschalierendes Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik
Ziel des PEPP sei, dass ein Krankenhaus für Patienten mit einem vergleichbaren Behandlungsaufwand auch eine vergleichbare Menge Geld erhalte. Das PEPP sei auf einem guten Weg, sich zu einem solchen Entgeltsystem zu entwickeln. Wie jedes Entgeltsystem könne es aber auch Fehlanreize setzen. Die BPtK konzentriere sich daher auf Überlegungen, wie Fehlanreize minimiert oder vielleicht sogar verhindert werden könnten.
Verbindliche Vorgaben zur Strukturqualität
Zentrale Baustelle in der stationären Versorgung sei die Sicherung der Strukturqualität in den Kliniken. Ohne klare Vorgaben zur Strukturqualität setzten pauschale Vergütungen Anreize für die Kliniken, beim Personal zu sparen. Wohin dies führe, so Richter, sehe man bei den somatischen Krankenhäusern. Das bisherige Instrument zur Sicherung der Strukturqualität im Bereich der Psychiatrie, die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV), sei jedoch veraltet. Die Psych-PV bilde 30 Jahre psychotherapeutische Innovationen nicht ab und kenne die Heilberufe der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht. Ohne Psychotherapeuten sei eine angemessene Strukturqualität aber nicht denkbar. Diese Mängel müssten vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) korrigiert werden. Der G-BA entwickle bis Ende 2016 Empfehlungen für die Personalausstattung der Kliniken. Die BPtK gehe davon aus, dass sich auf der Basis dieser Personalempfehlungen in den Kliniken ein erheblicher Anpassungsbedarf insbesondere im Bereich der Psychotherapie ergeben wird. Es sei daher wichtig, dass die Empfehlungen des G-BA erstens verbindlich für die Kliniken würden und zweitens den Kliniken die finanziellen Möglichkeiten zugestanden würden, diese Veränderungen auch zu refinanzieren. Richter versicherte den Delegierten, dass die BPtK sich für die fristgerechte Verabschiedung der Standards im G-BA und für Lösungen zur Refinanzierung entsprechender Standards in den Kliniken einsetzen werde.
Die Delegierten würdigten das Engagement der BPtK für eine Weiterentwicklung des PEPP. Die Debatte der letzten Monate sei „polemisch, unsachlich und lobbyistisch gesteuert“ gewesen, kritisierte ein Delegierter. Man habe versucht, einen Keil in die Profession zu treiben. Wegen der Positionierung der BPtK hätten Klinikleitungen Psychotherapeuten unter Druck gesetzt. Delegierte gaben zu bedenken, dass hinter der teilweise vehementen Ablehnung des PEPP auch die Kritik einer immer stärker ausgeprägten Ökonomisierung des Gesundheitssystems stehe. Die Verlängerung der Optionsphase gebe Zeit, mit den Gegnern des PEPP über notwendige Weiterentwicklungen und Ergänzungen zu diskutieren. Ziel solle ein breit konsentierter Vorschlag sein, der dann geeignet wäre, die Politik von notwendigen Weichenstellungen zu überzeugen. Der Vorstand übernahm diesen Antrag.
Psychiatrische Institutsambulanzen nicht anrechnen
Ein weiteres Thema des DPT war der Beschluss des G-BA, psychiatrische Institutsambulanzen in der Bedarfsplanung auf die Arztgruppe der Psychotherapeuten anzurechnen. Dieser Beschluss, erörterte Richter, sei nicht sachgerecht. Das Diagnosespektrum in einer PIA unterscheide sich deutlich von dem in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Nicht nur das Diagnose- und Beeinträchtigungsspektrum habe wenige Überschneidungen, sondern auch Art und Umfang der psychotherapeutischen Versorgung seien nicht vergleichbar. PIA leisteten zum Beispiel Krisenintervention, Erhaltungstherapie, Psychoedukation sowie Fallmanagement und regelhaft eben keine Richtlinienpsychotherapie. Die den PIA zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mittel reichten in keiner Weise aus, um eine psychotherapeutische Versorgung anzubieten, die auch nur annähernd der im vertragspsychotherapeutischen Bereich entspreche.
Besonders problematisch sei, dass der Beschluss direkte Auswirkungen auf die Versorgung haben werde. In Ostdeutschland, so Richter, warten psychisch kranke Menschen durchschnittlich 14 bis 19 Wochen auf ein erstes Gespräch bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten. Aktuell schrieben die KVen in Ostdeutschland 237,5 zusätzliche Praxissitze in ländlichen Regionen aus. Durch den Beschluss des G-BA könnte davon jedoch wieder jeder fünfte Sitz wegfallen. Nach Berechnungen der BPtK könnten 48,5 von 237,5 ausgeschriebenen neuen Sitzen dem G-BA-Beschluss zum Opfer fallen.
BPtK-Präsident Richter informierte die Delegierten, dass die BPtK das BMG aufgefordert habe, den Beschluss des G-BA vom 17. April 2014 nicht zu genehmigen. Der Beschluss sei willkürlich, entbehre jeder fachlichen und empirischen Grundlage und sei darüber hinaus für die Versorgung schädlich. Die Delegierten des 24. DPT unterstützten dieses Vorgehen mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution.
Praxiswertbestimmung
Vorstandsmitglied Dr. Dietrich Munz informierte die Delegierten über den Stand der Arbeit an einem psychotherapeutischen Praxisbewertungsmodell.
Er erinnerte daran, dass vor dem Hintergrund der sehr heterogenen Interessenlage in der Profession und der Vielzahl der am Markt befindlichen, in erster Linie ärztlichen Modelle beschlossen wurde, ein Praxisbewertungsmodell spezifisch für psychotherapeutische Praxen zu entwickeln. Man habe sich auf der Basis unterschiedlicher Angebote für einen externen Dienstleister mit ausgewiesener Expertise im Bereich der Praxisbewertung entschieden. Die Entwicklung dieses Praxisbewertungsmodells werde durch eine Arbeitsgruppe (AG) begleitet. Diese habe seit dem vergangenen DPT zweimal getagt. Man habe intensiv mögliche Faktoren für den Berechnungsalgorithmus diskutiert, zum Beispiel Standortfaktoren wie Versorgungsdichte und Vernetzung, die Kostenstruktur der psychotherapeutischen Praxis und die Berücksichtigung personeller Eigenleistungen der Praxisinhaber sowie das Inhabergehalt und ein kalkulatorischer Unternehmerlohn, der sich zum Beispiel am durchschnittlichen Angestelltengehalt orientieren könne, das die BPtK im Rahmen der Angestelltenbefragung ermittelt habe. An den Gesprächen teilgenommen hätten Prof. Dr. Martin H. Stellpflug, Robin Siegel als Vertreter der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) sowie er selbst für den Vorstand der BPtK. Es gehe aktuell darum, die juristischen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen für ein psychotherapeutisches Praxisbewertungsmodell zu klären. Dies werde aller Voraussicht nach bis zur Sitzung des Länderrats am 11. und 12. Juli 2014 gelingen, sodass auf dem 25. DPT das Praxisbewertungsmodell für psychotherapeutische Praxen zur Diskussion gestellt werden könne.
Dem DPT lag ein Antrag vor, die AG zum Praxisbewertungsmodell um je einen Vertreter der Praxisabgeber und der Praxisübernehmer zu erweitern. Es gehe darum, die Diskussion über die betriebswirtschaftliche und juristische Ebene hinaus auf eine berufspolitische Ebene zu heben. Die PiA müssten aktiv und wahrnehmbar eingebunden werden. Munz stellte klar, dass dies bereits der Fall sei, denn ein Vertreter der PiA arbeite in der AG mit und er habe mehrfach die Bundeskonferenz der Psychotherapeuten in Ausbildung über den aktuellen Diskussionsstand informiert und diskutiert. Man habe eine intensive Debatte geführt. Außerdem gab er zu bedenken, dass die Akzeptanz des psychotherapeutischen Praxisbewertungsmodells davon abhänge, dass alle Landespsychotherapeutenkammern dieses Modell ihren Mitgliedern als juristisch und betriebswirtschaftlich einwandfreie Lösung empfehlen können. Die berufspolitische Wertung dürfe natürlich nicht zu kurz kommen. Ihre Basis müsse jedoch eine solide juristische und betriebswirtschaftliche Vorarbeit sein. Der DPT folgte dem Antrag für eine Erweiterung der AG.
Mindestlohn für Psychotherapeuten in Ausbildung
Eine intensive Debatte entspann sich an der Frage, ob sich die BPtK dafür einsetzen solle, dass auch Psychotherapeuten in Ausbildung einen gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Es gehe darum, erläuterten die Antragsteller, die aktuelle Notlage abzumildern. Es gebe viele PiA, die während ihrer Praktischen Tätigkeit „mit Null rausgehen“. Für diese Gruppe müsse man die Chance einer Verbesserung nutzen. Bis eine umfassende Ausbildungsreform realisiert sei, würden noch Jahre vergehen. Es bestehe aber akuter Handlungsbedarf.
Dem wurde entgegengehalten, dass PiA, die schließlich Akademiker seien, für ihre qualifizierten versorgungsrelevanten Tätigkeiten während der postgradualen Ausbildung mindestens ein Einkommen analog einer halben Psychologenstelle erhalten müssten. „Mindestlohn, das geht einfach nicht“, betonte ein Delegierter. Gegen einen Mindestlohn für PiA wurde auch eingewandt, dass selbst eine Vergütung in Höhe eines Mindestlohns für die Klinik als Arbeitgeber ohne weitere gesetzliche Maßnahmen nicht gegenfinanziert werden könne. „Die Stellen in den Kliniken werden sich verknappen“, wurde gewarnt. Der DPT votierte äußerst knapp für den Mindestlohn und forderte die BPtK auf, sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren dafür einzusetzen.
Reform der Ausbildung – Richtungsentscheidung vorbereiten
Prof. Rainer Richter, Dr. Nikolaus Melcop und Michael Krenz informierten den DPT über den Stand der gemeinsamen Arbeit der AG des Länderrats und des Vorstands der BPtK.
Melcop beschrieb die bisher durchgeführten Gespräche und Anhörungen und plädierte dafür, die Reformdiskussion zu intensivieren. Wenn die Profession eine Reform wolle, dann müsse sie der Politik bald sagen, wofür die Profession eintrete. Auch die Finanzierungsfrage werde man klären können. „Wenn Versorgungsnotwendigkeiten eine Reform sinnvoll erscheinen lassen, dann werden auch zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt“, betonte Dr. Melcop.
Berufsbild und Kompetenzkatalog
Krenz schilderte die Diskussion zum Berufsbild. Man habe nun einen Zwischenstand erreicht: einen „Common Ground“ der Profession. Aber man dürfe auch in Zukunft nicht aufhören, sich zu fragen: „Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Welche Forderungen werden an uns gestellt?“. Richter erläuterte den Stand des Kompetenzprofils. Auch hier sei ein gutes Zwischenergebnis erreicht worden. Nun sei es an den Hochschulen zu zeigen, wie und in welchen Strukturen sie Kompetenzen vermitteln wollen und können. Das Gleiche gelte für die Ausbildungsstätten. Die Profession warte auf Vorschläge.
Mindestanforderungen
Richter schilderte den Delegierten Mindestanforderungen an alle Reformszenarien, die man aus der bisherigen Diskussion ableiten könne. Das Berufsbild werde zeigen, wie und wo sich Psychotherapeuten heute und in Zukunft sehen. Der Kompetenzkatalog werde konkretisieren, was die Angehörigen dieses Berufs heute und in Zukunft können oder können wollen.
Anhand der Mindestanforderungen sei es möglich, das Problemlösungspotenzial der aktuell diskutierten Reformszenarien (postgraduale Ausbildung, Direktstudium mit postgradualem Ausbildungsabschnitt oder Direktausbildung) herauszuarbeiten und dabei die Frage zu beantworten, wie in den unterschiedlichen Szenarien ausreichend Aus- beziehungsweise Weiterbildungsplätze gesichert und finanziert werden könnten.
In der Debatte wurde deutlich, wie wichtig es sei, sich über den Stellenwert der aktuell diskutierten Reformoptionen und der damit verbundenen Entwicklungsperspektiven für die Profession Klarheit zu verschaffen. Eine Reform der Psychotherapeutenausbildung in dieser Legislaturperiode werde mit jedem DPT unwahrscheinlicher. Die Zeit „rinnt uns durch die Hände“, so Richter. Auch viele Delegierte betonten, dass es an der Zeit sei, Entscheidungen zu treffen. Eingebracht wurde aber auch, dass man vor einer Entscheidung wissen müsse, worin die Chancen bestünden und welche Gefahren drohten, was die Profession gewinnen oder verlieren könne. Für die Ausbildungsstätten komme es nun darauf an herauszuarbeiten, was die hohe Qualität der derzeitigen Ausbildung begründe und wie man diese Elemente in den unterschiedlichen Szenarien erhalten könne.
Klares Votum zur Musterberufsordnung
Der DPT verabschiedete auf Antrag des Vorstandes die Musterberufsordnung in geschlechtergerechter Sprache. Außerdem war es gelungen, im Vorfeld dieses DPT einen breiten Konsens beim Einsichtnahmerecht des Patienten in die Behandlungsdokumentation vorzubereiten. Der vorgelegte Antrag stellte klar, dass sich die Pflicht der Psychotherapeuten, Einsichtnahme in eine Patientenakte zu gewähren, an der nach dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes geltenden zivilrechtlichen Rechtslage orientieren muss. Ferner wird in der Musterberufsordnung nun aber auch klargestellt, dass ein Verstoß gegen die Berufsordnung dann nicht vorliegt, wenn ein Psychotherapeut auszugsweise die Einsicht in die Behandlungsdokumentation verweigert, wenn davon seine Persönlichkeitsrechte stark berührt werden. Ob und inwieweit diese Voraussetzung vorliegt, kann von den Landespsychotherapeutenkammern geprüft und festgestellt werden. Ihnen ist auf Verlangen die vollständige Akte vorzulegen. Die Regelungen des Patientenrechtsgesetzes bleiben davon unberührt.
Versorgung psychisch kranker Soldaten
Thema des DPT war auch der Vertrag zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der BPtK zur Erleichterung des Zugangs zur psychotherapeutischen Versorgung für Soldaten. Richter erhielt viel Beifall für sein Plädoyer, niemanden sein „Menschsein“ abzusprechen und bei der psychotherapeutischen Verpflichtung zu bleiben, die Autonomie der Patienten zu respektieren und damit auch die Entscheidung eines Patienten für den Beruf des Soldaten. Wichtig war dem DPT festzuhalten, dass Soldaten, die von ihrer Erkrankung geheilt sind, in der Folge nicht in ihrer beruflichen Entwicklung behindert werden sollten. Diese Grundsatzposition der Profession gelte für alle Patienten und damit auch für Soldaten.
Delegierte forderten ergänzend eine explizite Aussage der BPtK gegen den Krieg. Diskussionswürdig seien auch das explizite Ziel der Behandlung, die Dienstfähigkeit des Soldaten wiederherzustellen und die Verschwiegenheitsverpflichtung von Patienten und Psychotherapeuten. Dies seien Einschränkungen, die es in der gesetzlichen Krankenversicherung so nicht gebe. Prof. Richter erläuterte, dass beide Bedenken auch für Behandlungen anderer Patientengruppen zuträfen: Auch in der Rehabilitation sei das Ziel die Wiederherstellung der Erwerbstätigkeit, die Verschwiegenheitsverpflichtung bezüglich dienstlicher Belange gelte beispielsweise auch für Beamte und die Verschwiegenheitsverpflichtung des Psychotherapeuten sei zum Beispiel auch bei Behandlungen im Maßregel- oder Strafvollzug eingeschränkt. Er regte deshalb an, die möglichen Folgen solcher Einschränkungen auf die Psychotherapie allgemeiner zu diskutieren.
Downloads
- Resolution des 24. DPT: Der Deutsche Psychotherapeutentag fordert die Beanstandung des G-BA-Beschlusses zur Anrechnung der psychiatrischen Institutsambulanzen auf die ambulante Versorgung0
- BPtK-Positionspapier: Qualität der stationären Versorgung psychisch kranker Menschen sichern und weiterentwickeln
0.1 MB
- Folie: Differenziertes Versorgungskonzept
0.4 MB
- Folie: Differenziertes Versorgungskonzept für Kinder und Jugendliche
0.4 MB
Veröffentlicht am 04. Juni 2014