Psychotherapeutische Versorgung
Direktzugang zur Psychotherapie sichern: BPtK veröffentlichte Positionspapier anlässlich der Debatte zum Primärarztsystem
In unserem letzten Newsletter haben wir ausführlich dargestellt, warum ein verpflichtendes Primärarztsystem für die psychotherapeutische Versorgung den falschen Weg weist. Seitdem reißt die Debatte um die Einführung eines Primärarztsystems in Deutschland nicht ab.
Sogar Bundeskanzler Merz erklärte kürzlich, dass die Deutschen zu häufig Arztpraxen aufsuchten. Mit rund zehn Arztbesuchen pro Patient*in im Jahr, summiere sich dies auf eine Zahl von eine Milliarde Arztbesuchen. Dies sei Merz zufolge ein zweifelhafter Rekord. Er sprach sich dafür aus, dass mit den verfügbaren Ressourcen schonender umgegangen werden müsse.
Doch noch liegt für den „Herbst der Reformen“ kein konkreter Gesetzentwurf vor, auf dessen Grundlage ein Primärarzt- oder Primärversorgungssystem etabliert werden soll. Während der Koalitionsvertrag ein Primärarztsystem mit Ausnahmen festschreibt, bleibt bisher weiterhin unklar, wie das Bundesgesundheitsministerium die Steuerung tatsächlich ausgestalten will. Für die Psychotherapie ist die Frage besonders brisant, denn hier entscheidet sich, ob Patient*innen künftig weiterhin direkt in die psychotherapeutische Sprechstunde gelangen können oder ob ein vorgeschalteter Hausarztbesuch Pflicht werden soll.
Die BPtK hat deshalb ein Positionspapier vorgelegt, das die Argumente bündelt und ein klares Signal setzt: Der Direktzugang muss erhalten bleiben. „Ein obligatorisch vorgeschalteter Hausarztbesuch würde unnötige Doppelstrukturen schaffen, Wartezeiten verlängern und zusätzliche Kosten verursachen“, betonte BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. Als wirksames Steuerungsinstrument habe sich die psychotherapeutische Sprechstunde seit 2017 bewährt.
Aus Sicht der BPtK sprechen zehn Gründe für die Beibehaltung des Direktzugangs zur Psychotherapie:
- Hilfesuchende nutzen den Direktzugang in die psychotherapeutische Sprechstunde.
- Ein starres Primärarztmodell erschwert für viele Menschen mit psychischen Erkrankungen den Weg in die Psychotherapie und erhöht Wartezeiten.
- Die psychotherapeutische Sprechstunde funktioniert als Instrument der Patientensteuerung passgenau.
- Ein Primärarztmodell kann die Effizienz in der Psychotherapie nicht erhöhen.
- Ein Primärarztsystem hat zum Ziel, dass mehr Fälle hausärztlich versorgt werden. Aber: Das kann die Psychotherapie regulär nicht umfassen.
- Gerade Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen brauchen einen niedrigschwelligen und schnellen Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe.
- Ein starres Primärarztmodell würde die Qualität der Patientensteuerung in die Psychotherapie verschlechtern.
- Die Option des Direktzugangs in die psychotherapeutische Sprechstunde unterstützt eine sozial faire Versorgung.
- Wir wollen die erfolgreiche psychotherapeutische Steuerung weiterentwickeln.
- Psychotherapeutische Praxen arbeiten schon heute gut und patientenorientiert mit hausärztlichen und kinderärztlichen Praxen zusammen. Diese Kooperation kann an ihren Schnittstellen weiter optimiert werden.
Mit dem Positionspapier will die BPtK einen Beitrag zur politischen Debatte leisten und deutlich machen, dass die aktuellen Überlegungen zu einem starren Primärarztmodell nicht zu einer besseren Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitragen, sondern im Gegenteil zu einer Verschlechterung führen würden. Psychotherapie muss direkt erreichbar bleiben und darf nicht ins Abseits gesundheitspolitischer Strukturdebatten zurückgedrängt werden. Die BPtK wird sich weiterhin mit Nachdruck für eine bedarfsgerechte und niedrigschwellig zugängliche psychotherapeutische Versorgung einsetzen.
Das ausführliche Positionspapier können Sie hier nachlesen.
Veröffentlicht am 02. Oktober 2025