Psychotherapeutische Versorgung
G-BA-Beschluss zur Suchtmittelfreiheit bleibt hinter Leitlinienempfehlungen zurück
Schadensminimierung und Reduktion des Suchtmittelkonsums sind nach der Psychotherapie-Richtlinie weiterhin keine anerkannten Therapieziele bei Abhängigkeitserkrankungen.
Suchtmittelfreiheit muss künftig innerhalb von 12 statt bisher 10 Behandlungsstunden einer Kurzzeittherapie erreicht werden; unter bestimmten Voraussetzungen ist auch der gesamte Behandlungszeitraum der Kurzzeittherapie, also bis zu 24 Sitzungen, zur Erreichung der Abstinenz zulässig. Diese Anpassung der Psychotherapie-Richtlinie bei der Indikation der Abhängigkeitserkrankungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf seiner Sitzung am 21. August 2025 beschlossen. Entgegen den Voten der Expert*innen in der Anhörung hält der G-BA damit an der grundsätzlichen Vorgabe der Abstinenz bei Abhängigkeitserkrankungen als Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung fest.
Diese Regelung entspricht seit Langem nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Forschung und erschwert insbesondere Patient*innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen den Zugang zu notwendiger Hilfe. Nationale wie internationale Leitlinien empfehlen neben vollständiger Abstinenz auch reduzierten Konsum und Harm Reduction als geeignete Behandlungsziele. In der Versorgungspraxis zeigt sich zudem, dass viele Betroffene nicht sofort eine Abstinenz anstreben können oder wollen.
Die bestehende Abstinenzregel führt seit Jahren dazu, dass Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen systematisch von der Versorgung ausgeschlossen werden. Dabei leiden diese Patient*innen ohnehin schon unter erheblichen Zugangsbarrieren, Stigmatisierung und sozialen Belastungen. Gerade für Patient*innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen wäre ein unkomplizierter Zugang zur Psychotherapie besonders wichtig.
Zudem widerspricht die Regelung den politischen Reformbestrebungen. Die Richtlinie zur koordinierten und strukturierten Versorgung schwer psychisch erkrankter Menschen (KSVPsych-RL) sowie die neue Ermächtigungsregel in der Ärzte-Zulassungsverordnung sollen nicht zuletzt auch die multiprofessionelle ambulante Versorgung abhängigkeitserkrankter Patient*innen erleichtern. Mit der fortbestehenden Vorgabe einer Suchtmittelfreiheit bei Abhängigkeitserkrankungen in der Psychotherapie-Richtlinie wird jedoch die psychotherapeutische Behandlung der Suchterkrankungen, aber auch der komorbiden psychischen Störungen massiv eingeschränkt.
Die BPtK hat daher wiederholt die vollständige Streichung der Abstinenzregel in der Psychotherapie-Richtlinie gefordert. Nur flexible, individuelle Behandlungsziele, die sich an Lebenslagen und Krankheitsphasen der Patient*innen orientieren, können eine vertrauensvolle, barrierearme und damit effektive Versorgung sicherstellen.
Veröffentlicht am 02. Oktober 2025