Psychotherapeutische Versorgung
Hürden für ambulante Komplexbehandlung werden abgebaut
Psychotherapeut*innen mit reduziertem Versorgungsauftrag können künftig gleichberechtigt an der ambulanten Versorgung von schwer psychisch erkrankten Patient*innen mitwirken.
Eine entsprechende Änderung der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-Richtlinie) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf seiner Sitzung am 21. August 2025 beschlossen.
Als der G-BA im Jahr 2021 die Erstfassung der KSVPsych-Richtlinie beschlossen hatte, war die bislang bestehende Einschränkung Gegenstand massiver Kritik. Der seitens der BPtK erhobenen Forderung einer Beanstandung der Richtlinie hatte das Bundesgesundheitsministerium seinerzeit nicht entsprochen, den G-BA jedoch auf seine Beobachtungspflicht hinsichtlich der Auswirkungen seiner Entscheidungen hingewiesen, um frühzeitig Umsetzungsprobleme zu identifizieren und noch vor Ablauf der Evaluationsfrist nachsteuern zu können.
In einem Zwischenbericht zur Umsetzung der Regelung der KSVPsych-Richtlinie vom 30. Januar 2024 war eine Reihe von Hindernissen benannt worden, die die Bildung von neuen Netzverbünden zur Umsetzung des neuen ambulant-intensiven Versorgungsangebots behindern. Mit den beschlossenen Änderungen der KSVPsych-Richtlinie räumt der G-BA nun einige Barrieren beiseite, die bislang den Aufbau von Netzverbünden und die Entwicklung des neuen Versorgungsangebots der ambulanten Komplexbehandlung ausgebremst haben.
Allein der bisherige Ausschluss von Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen mit reduziertem Versorgungsauftrag hatte zur Folge, dass rund zwei Drittel der Vertragspsychotherapeut*innen bislang für ihre Patient*innen nicht die Aufgaben der Bezugspsychotherapeut*in übernehmen durften, die die gesamte Behandlung plant und koordiniert. Darüber hinaus können Psychotherapeut*innen künftig bei allen Patientengruppen die Aufgaben einer Bezugspsychotherapeut*in übernehmen, auch für Patient*innen, die wegen somatischer Komorbiditäten einer kontinuierlichen fachärztlichen Behandlung oder Überwachung bedürfen oder deren psychopharmakologische Behandlung regelmäßigen Anpassungen unterliegt. Voraussetzung ist hierbei der regelmäßige Einbezug der geeigneten Fachärzt*in in die Behandlung. Damit wird sowohl die Patientenautonomie bei der Wahl der Bezugspsychotherapeut*in bzw. -ärztin als auch die gleichberechtigte Kooperation zwischen Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen gestärkt.
Eine weitere Erleichterung für die Neugründung von Netzverbünden betrifft deren Mindestgröße. Künftig sind nur noch sechs statt bisher zehn Psychotherapeut*innen oder Fachärzt*innen vorgeschrieben. Auch die Anforderungen an die Kooperation mit Krankenhäusern wurden flexibilisiert insbesondere für den Fall, dass sich kein pflichtversorgendes Krankenhaus zur Kooperation bereitfindet. In Ausnahmefällen kann ein Netzverbund künftig auch ohne kooperierendes Krankenhaus befristet für zwei Jahre eine Genehmigung erhalten.
Kritisch zu bewerten ist dagegen, dass die Rolle der Psychotherapeut*innen bei der differenzialdiagnostischen Abklärung auch künftig nicht adäquat abgebildet, sondern in der KSVPsych-Richtlinie explizit bei den ärztlichen Kolleg*innen verortet wird. Die fachlichen Kompetenzen der Psychotherapeut*innen und ihre Leistungen im Rahmen der Psychotherapeutischen Sprechstunde finden damit keine ausreichende Berücksichtigung, auch mit der Konsequenz, dass es weiterhin zu leicht vermeidbaren Doppeluntersuchungen kommt und die gebotene interprofessionelle Kooperation auf Augenhöhe untergraben wird. Hier muss der G-BA zeitnah nachsteuern.
Veröffentlicht am 02. Oktober 2025