Psychotherapeutische Versorgung
Kinder und Jugendliche – eine Generation zwischen Krisen und fehlender Unterstützung
Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht seit Jahren unter Druck – und zwar zunehmend.
Während sich die Datenlage immer weiter verdichtet, erleben viele Kinder und Jugendliche, ihre Familien und die Schulen dieselbe Realität: Hilfe kommt zu spät, Versorgungsangebote sind knapp, präventive Angebote fehlen.
Psychische Belastungen und ihre Folgen
Die aktuelle Studienlage zeigt eindeutig: Die psychische Belastung junger Menschen steigt seit Jahren deutlich an. Während der Covid-Pandemie verschlechterte sich die Lage enorm. Und viele Belastungen wirken bis heute nach: Geringere Lebensqualität, erhöhte Ängstlichkeit und anhaltende psychische Belastungen prägen weiterhin den Alltag vieler junger Menschen. Hinzu kommt, dass auch die Häufigkeit von Depressionen und Essstörungen bei jungen Menschen weiter zugenommen hat.
Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien. Zur Risikogruppe zählen Kinder und Jugendliche, die beengt wohnen, eine Migrationsgeschichte haben und die, deren Eltern selbst psychisch belastet sind oder eine geringere Bildung haben. Lernen oder Freundschaften zu pflegen fällt schwerer. Schul- oder Berufsabschlüsse werden nicht erreicht, sozialer Rückzug erschwert die Teilhabe. Wer in der Kindheit eine psychische Erkrankung entwickelt, die nicht oder zu spät behandelt wird, kann bis in das Erwachsenenalter die Auswirkungen spüren. Das hat auch enorme gesellschaftliche Auswirkungen.
Mit dem Belastungsanstieg wächst auch der Versorgungsdruck: Junge Menschen warten im Durchschnitt 28 Wochen auf einen Therapieplatz. Ein halbes Jahr, in dem sich Symptome verschlechtern können und die psychosoziale Entwicklung leidet. In ländlichen Regionen müssen zusätzlich oft Distanzen von 20, 30 oder mehr Kilometern zurückgelegt werden. Für Kinder und Jugendliche ist das nicht nur kaum zu bewältigen, sondern schlicht unzumutbar.
Politisches Handeln erforderlich
Dass politisches Handeln notwendig ist, zeigen nicht nur Studien, sondern auch die jungen Menschen selbst. Sie berichten von dem Gefühl vergessen zu werden. Die Bundesschülerkonferenz spricht von einer schweren Krise der psychischen Gesundheit junger Menschen. Sie wollen anpacken, aber dafür brauchen sie eine Politik, die sich ihre „Resilienz als oberste Priorität auf die Fahnen schreibt“.
Diese Problemlagen sind inzwischen hinreichend bekannt: Die Wissenschaft zeigt sie, Familien und Schulen erleben sie, Familien und Schulen erleben sie und auch die Politik hat erkannt, dass das Versorgungssystem an seine Grenzen kommt.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung ausdrücklich festgehalten, dass die psychische Gesundheit junger Menschen ein zentrales gesellschaftliches Handlungsfeld ist.
Um die psychische Gesundheit junger Menschen wirksam zu stärken, braucht es ein entschlossenes politisches Paket. Dazu wurden bereits wichtige Weichen gestellt. Das Bundesfamilienministerium hat die Kommission „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ eingesetzt und die Bundesregierung eine Strategie „Mentale Gesundheit für junge Menschen“ auf den Weg gebracht. Der Bundeshaushalt 2026 stärkt die Frühen Hilfen, sieht Gelder für die Unterstützung für Kinder und Jugendliche und für die Suizidprävention vor. Das sind erste Bausteine, die aber nicht ausreichen und denen nun zügig weitere Schritte folgen müssen: eine alltagsnahe Prävention, die Kinder und Jugendliche früh erreicht; eine separate Bedarfsplanung, die ihre spezifischen Bedürfnisse endlich abbildet und gezielt die Versorgung stärkt; verbesserte Kinderschutzkonzepte auch im digitalen Raum; weniger Versäulung und mehr Zusammenarbeit der Fachkräfte und Hilfesysteme. Darauf kommt es nun an. Unterstützung muss früh und dort ankommen, wo sie gebraucht wird, damit Kinder und Jugendliche in ihrem psychisch gesunden Aufwachsen gefördert werden und Familien Orientierung und Unterstützung erhalten, wenn die Psyche des Kindes belastet oder gar erkrankt ist.
Deutschland steht an einem Wendepunkt: Noch nie war so klar belegt, wie ernst die Lage der psychischen Gesundheit junger Menschen ist. Und noch nie war der politische Konsens so greifbar.
2026 muss das Jahr werden, in dem Politik, Versorgung und Gesellschaft gemeinsam noch viel stärker ins Handeln kommen. Mit Reformen, Strategien und konkreter Implementierung. Es geht um eine ganze Generation. Es müssen mehr als nur Weichen neu gestellt werden. Der Zug muss endlich auf die Schiene gesetzt werden, um zeitnah das essenzielle Gut für Lebensqualität und Teilhabe – die psychische Gesundheit – zu liefern.
Veröffentlicht am 16. Dezember 2025