Psychotherapie in Psychiatrien
Patient*innen in der Psychiatrie brauchen mehr Psychotherapie
BPtK-Studie fordert höhere Mindestpersonalvorgaben und Bürokratieabbau
Obwohl die Mehrheit der psychiatrischen Kliniken die Mindestpersonalvorgaben für Psychotherapeut*innen erfüllt oder sogar übererfüllt, erhalten Patient*innen in der Erwachsenenpsychiatrie im Durchschnitt nur rund 25 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in der sie die öffentlich verfügbaren Routinedaten zur Personalausstattung und zum Leistungsgeschehen in der Psychiatrie ausgewertet hat. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sieht das Bild insgesamt besser aus: Doch auch hier werden mit durchschnittlich 90 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche die mindestens vorgesehenen 100 Minuten Einzeltherapie nicht erreicht.
Unzureichende psychotherapeutische Versorgung in der Psychiatrie
Für ihre Studie hat die BPtK die Daten zur Personalausstattung von 896 erwachsenenpsychiatrischen und 302 kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen aus den Strukturierten Qualitätsberichten sowie Leistungsdaten aus dem InEK-DatenBrowser ausgewertet. Die Studienergebnisse zeigen, dass die psychiatrischen Einrichtungen größtenteils über ausreichend psychotherapeutisches Personal verfügen, um die in der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-Richtlinie) festgelegten Mindestvorgaben zu erfüllen. Der Umsetzungsgrad in der Berufsgruppe der Psychotherapeut*innen lag im Jahr 2023 sowohl in der Erwachsenenpsychiatrie als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Median bei rund 120 Prozent. Die Mindestvorgaben für Ärzt*innen wurden im Median zu rund 100 Prozent erfüllt. Dennoch bleibt die stationäre psychotherapeutische Versorgung deutlich hinter der ambulanten Versorgung und dem selbst gesteckten Ziel der PPP-Richtlinie von mindestens 50 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche zurück (siehe Abbildung). Dabei kommt gerade der Einzelpsychotherapie im Zusammenspiel mit Gruppenpsychotherapie, Fachpflege und Spezialtherapien aufgrund der Akuität und Schwere der stationär behandelten Erkrankungen ein besonderer Stellenwert zu.
Mehr Zeit für Patient*innen ermöglichen
Die Gründe dafür, dass Patient*innen so wenig einzeltherapeutische Behandlung erhalten, sind aus Sicht der BPtK vor allem eine starke Leistungsverdichtung und ein gestiegener bürokratischer Aufwand in den Kliniken seit Verabschiedung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) vor über dreißig Jahren. Bei der Einführung der PPP-Richtlinie im Jahr 2019 wurden die Vorgaben der Psych-PV für die psychotherapeutischen Berufsgruppen zwar so erhöht, dass rein rechnerisch 50 Minuten Einzeltherapie pro Woche möglich sein sollten. Nicht berücksichtigt wurden die deutlich kürzeren Verweildauern und höheren Fallzahlen, die dazu führen, dass der Teil der Arbeitszeit, der für Aufnahmen und Entlassungen und die damit verbundenen organisatorischen Aufgaben aufgewendet werden muss, im Verhältnis zur eigentlichen Behandlungszeit deutlich gestiegen ist. Hinzu kommen erhöhte Anforderungen an Dokumentation und Qualitätssicherung. Die BPtK hält deshalb folgende Maßnahmen für erforderlich:
- Die Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen müssen so erhöht werden, dass der im Vergleich zur Psych-PV gestiegene Aufwand für organisatorische und administrative Tätigkeiten einschließlich Dokumentation ausgeglichen wird.
- Der bürokratische Aufwand in den psychiatrischen Kliniken muss weiter reduziert werden, damit das klinische Personal mehr Zeit für die Patientenversorgung hat.
- Die Digitalisierung in den psychiatrischen Kliniken muss vorangetrieben werden. In vielen Kliniken müssen Daten derzeit noch mehrfach und zu unterschiedlichen Zwecken eingegeben werden – beispielsweise zur Dokumentation der Behandlung, zu Abrechnungszwecken und zum Nachweis der Personalausstattung. Das nimmt wertvolle Zeit in Anspruch, die für die Patient*innen verloren geht.
Die gesamte Studie kann nachgelesen und heruntergeladen werden unter: https://bptk.de/studien/psychotherapeutische-versorgung-in-der-psychiatrie/
Veröffentlicht am 16. Dezember 2025
