Fachtag Psychotherapie und Diversität
Queersensible Psychotherapie - 3. BPtK-Fachtag: Psychotherapie und Diversität: LSBTIQ*
„Vielfalt ist kein Randthema. Sie gehört in die Mitte unserer Profession“, sagte Dr. Andrea Benecke, BPtK-Präsidentin, zur Eröffnung des dritten BPtK-Fachtages zum Thema „Psychotherapie und Diversität: LSB-TIQ* - Queersensible Psychotherapie“ am 4. November 2025.
Grußwort der Queerbeauftragten der Bundesregierung
Sophie Koch, Queerbeauftragte der Bundesregierung, erinnerte in ihrem Grußwort an historische Entwicklungen, auch in der Psychotherapie, als Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts pathologisiert wurden. Koch unterstrich, wie wichtig die psychotherapeutische Arbeit und das Schaffen von Räumen sei, in denen Menschen ohne Angst über sich und ihre Identität sprechen können. Sie dankte der Profession für ihr Engagement.
Die politische Dimension von Geschlecht und Geschlechtlichkeit
Sascha Bos, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charité – Universitätsmedizin, hielt einen Vortrag zum Thema „Psychische Gesundheit von LSBTIQ*-Menschen sowie die psychotherapeutische Versorgung“. Bos konstatierte bewusst provokant, es gebe nur zwei Geschlechter: „männlich und politisch“. Damit beschrieb er die politische Dimension von Geschlecht und Geschlechtlichkeit und wie sie gesellschaftlich verhandelt werde. Psychotherapie sei immer eingebettet in die gesellschaftlichen Verhältnisse, so Bos, und Angehörige des Gesundheitswesens seien in besonderer Weise verantwortlich, evidenzbasiert und fokussiert auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen zu handeln.
Erfahrungen von LSBTIQ*-Menschen mit Psychotherapie
Celine Bahr und Anne Vogel, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an der Universität Marburg und Psychologische Psychotherapeutinnen in Ausbildung, gaben in ihrem Vortrag Einblicke in ein Forschungsprojekt zu Erfahrungen von LSBTIQ*-Menschen mit Psychotherapie und damit verbundene Implikationen für die psychotherapeutische Praxis. Patient*innen berichteten in Interviews von positiven Erfahrungen, aber auch von diskriminierendem Verhalten von Psychotherapeut*innen. Befragt nach Veränderungspotenzialen, nannten sie unter anderem mehr Gruppentherapieangebote für LSBTIQ* und dass Psychotherapeut*innen sich stärker selbst informierten. Bahr und Vogel plädierten für die Verankerung von spezifischen Seminaren in der Aus- und Weiterbildung.
Anerkennung und geschlechtliche Selbstbestimmung
Prof. Dr. Katinka Schweizer, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Medical School Hamburg, hielt es in ihrem Vortrag „Anerkennung und geschlechtliche Selbstbestimmung – auch in der Psychotherapie?!“ für unabdingbar, differenziert über Begrifflichkeiten nachzudenken. Fakt sei, dass die Geschlechtsidentität bei der Geburt nicht erkannt werden könne. Im Hinblick auf inter*-Menschen könne zudem von einem mehrdeutigen Körpergeschlecht gesprochen werden. Hier sei zentral, dass die Pathologisierung endlich beendet und nicht immer wieder versucht werde, Menschen an eine vermeintliche Norm anzupassen.
S2k-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“
Sabine Maur, Vizepräsidentin der BPtK und Vorstandsbeauftragte für Antidiskriminierung und Diversität, stellte die AWMF-S2k-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter vor. Mit dieser Leitlinie sei ein wichtiger Baustein für die adäquate (psychotherapeutische) Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschaffen worden. Maur berichtete auch, dass das Leitlinienteam während des Erstellungsprozesses Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei und wie wichtig die Leitlinie sei, auch um Desinformation etwas entgegensetzen zu können. Handlungsbedarf sieht Maur darin, einschlägige Fortbildungsangebote flächendeckend zu etablieren und verpflichtende Veranstaltungen in der Aus- und Weiterbildung zu implementieren.
Queergerechte Psychotherapie
Dr. Gisela Fux Wolf, niedergelassen in einer Praxisgemeinschaft mit queerer Perspektive in Berlin, erörterte im Vortrag zentrale Elemente einer queergerechten Psychotherapie. Dazu gehöre ein reflektierter Umgang mit dem eigenen Standpunkt und dem Machtgefälle in einer psychotherapeutischen Beziehung. Die Selbsterfahrung in der Aus- und Weiterbildung sei ein wesentlicher Baustein, mit dem ein Raum geschaffen werde, um eigene Konstellationen zu reflektieren – auch mit dem Ziel, eigene Erfahrungen nicht als normativ zu bewerten und stets offen gegenüber Lebensrealitäten zu bleiben.
Fazit und Ausblick
In ihrem Schlusswort betonte Sabine Maur, wie dringlich die fortlaufende Auseinandersetzung mit Diversität und Antidiskriminierung sei. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass bereits viele Angehörige der Profession aktiv dazu beitrügen, Antidiskriminierung im Gesundheitswesen zu leben.
Der vierte Fachtag Psychotherapie und Diversität ist für den Herbst 2026 geplant.
Veröffentlicht am 16. Dezember 2025