45. Deutscher Psychotherapeutentag
Der 45. Deutsche Psychotherapeutentag fand vom 15. bis 16. November 2024 in Berlin statt.
© BPtK/Fotos: Christopher Peetz/Eventfotos Berlin
Am 15. und 16. November 2024 ist das Parlament der Psychotherapeutenschaft Deutschlands zu seinem 45. Deutschen Psychotherapeutentag in Berlin zusammengekommen.
Versammlungsleiterin Birgit Gorgas fand gleich zur Eröffnung der Veranstaltung klare Worte: Unsere Demokratie basiere auf unterschiedlichen Meinungen, klaren Haltungen und einem gemeinsamen Diskurs. Polarisierung, eine reduzierte Bereitschaft, sich mit den Lebensrealitäten, Werten und Zielen des Gegenübers auseinanderzusetzen, diese sogar abzuwerten und die eigenen Überzeugungen über das Gemeinwohl zu stellen, gefährdeten unsere demokratische Gesellschaft. Um gemeinsam die Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und attraktive Rahmenbedingungen für die Profession auszuhandeln, brauche es einen auf Vertrauen und Offenheit gegründeten bestmöglichen Konsens.
BPtK-Präsidentin appelliert nach Ampel-Aus an politisch Verantwortliche
»Das Hinauszögern der Gesetzgebung für psychisch kranke Menschen, das wir in den letzten drei Jahren erleben mussten, geht mit dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition voll zulasten der Menschen mit psychischen Erkrankungen“, resümierte die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Dr. Andrea Benecke zum Auftakt des 45. Deutschen Psychotherapeutentags (DPT). Dass mit dem Ampel-Aus keinerlei Verbesserungen für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen erreicht und auch die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung nicht mehr abgesichert werde, sei fatal. Die Schere zwischen Versorgungsangebot und -nachfrage gehe immer weiter auseinander und die Versorgungsprobleme würden aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels noch weiter verschärft. Die Herausforderungen in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen seien zu groß, als dass sie weiter ungelöst bleiben dürften. Vor diesem Hintergrund spiele die Sicherung des psychotherapeutischen Nachwuchses eine zentrale Rolle. Benecke appellierte an die politisch Verantwortlichen, jetzt wahltaktische Interessen zum Wohle der Versorgung psychisch kranker Menschen zu überwinden und im Deutschen Bundestag Beschlüsse über Reformvorhaben rasch zu fassen. Maßgabe müsse sein, dass auch nach Neuwahlen die Fäden zügig wieder aufgenommen würden, um nicht umgesetzte Reformvorhaben voranzutreiben. Gemeinsam müssten Lösungen gefunden werden, wie sich die verlorenen Jahre bestmöglich kompensieren ließen, damit auch zukünftig die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gewährleistet sei. In der Versorgung psychisch kranker Menschen müsse die psychotherapeutische Kompetenz zukünftig noch stärker genutzt werden.
Zu den Rahmenbedingungen, die Psychotherapeut*innen benötigten, zähle auch der Bürokratieabbau. Mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherungsverfahren (QS-Verfahren) ambulante Psychotherapie wurde jedoch ein überteuertes Bürokratiemonster ohne Nutzen für die Versorgung geschaffen. Dieses Instrument dürfe unter keinen Umständen bundesweit ausgerollt werden. Die in Nordrhein-Westfalen gestartete Erprobungsphase habe zudem gezeigt, dass noch immer zahlreiche Fragen wie die Vergütung ungeklärt seien.
Wenigstens bei der ambulanten Komplexversorgung seien endlich erste Schritte unternommen worden, um die bestehenden Hürden der Richtlinie in absehbarer Zeit abzubauen und in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden. Gleichwohl drohe auch hier mit Blick auf die Rolle der „nicht-ärztlichen koordinierenden Personen“ ein Nadelöhr.
Ungelöst blieben dagegen die Probleme in der stationären Versorgung: Der Stillstand in der Personalbemessung erschwere eine leitliniengerechte Versorgung von Patient*innen.
Die Delegierten dankten dem Vorstand für die breit gefächerten Aktivitäten und den großen Einsatz in der Bundespolitik. Umso bedauerlicher sei, dass sich das Erreichte nun nicht mehr in der konkreten Gesetzgebung niederschlagen werde. Zentrales Thema der Aussprache war die fehlende Finanzierung der Weiterbildung. Dieses Problem müsse dringend gelöst werden, um ausreichend Weiterbildungsstellen zu schaffen. Die Studierenden schilderten ihre unsichere Lage. Gewürdigt wurde ihr großer Einsatz, mit Demonstrationen vor dem Deutschen Bundestag immer wieder auf den Handlungsbedarf aufmerksam gemacht und damit den politischen Druck hochgehalten zu haben.
Delegierte warben auch dafür, dass die Parcoursprüfung in der Approbationsprüfung unbedingt erhalten bleiben müsse. Die Studierenden begrüßten, dass mit der Änderung der Approbationsordnung das Format beibehalten und pragmatische Lösungen gefunden wurden, damit alle Absolvent*innen die Prüfung ablegen können. Weitere Themen waren die Einführung der „ePA für alle“ und damit verbundene Fragen in der psychotherapeutischen Versorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen sowie die BPtK-Antidiskriminierungsstrategie, die Einrichtung der BPtK-Kommission „Antidiskriminierung, Diversität und Chancengerechtigkeit“ und deren inhaltliche Ausgestaltung. Auch der Projektstart des eLogbuchs stand auf der Agenda des 45. DPT.
Gemeinsam Lösungen für die Versorgung von psychisch kranken Menschen entwickeln
Die Scham sei endlich abgelegt, sich frühzeitig Hilfe zu suchen und Psychotherapie zu beanspruchen, begrüßte Prof. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), in seinem Vortrag zu Entwicklungen in der psychotherapeutischen Versorgung. Man müsse darüber sprechen, wie man die ambulante Versorgung stärken könne, weil dies die Gesundheitsausgaben, insbesondere für Krankenhausbehandlungen, reduziere.Dabei bedürfe es einer differenzierten Betrachtung der Bedarfe der Patient*innen. Wenn Arzneimittelausgaben hochgingen und die Ausgaben für die psychotherapeutische Versorgung stagnierten, die Kliniken voll seien, es aber keine ambulante Weiterversorgung gäbe, müsse man darüber sprechen, wie die Versorgungszugänge besser gestaltet werden können. Die sektorenübergreifende Versorgung müsse verbessert und eine geordnete Überleitung der Patient*innen gewährleistet werden.
Für die Patient*in, die akut Versorgung benötigt, sei jede Wartezeit zu lang. Patient*innen brauchen sofort Behandlung. Das Problem sei, dass manche gar nicht erst die Praxis erreichten, weil sie den Weg dorthin nicht fänden. Er spreche hier aus persönlicher Betroffenheit und setze sich für konkrete Lösungen ein.
Bei der separaten Beplanung der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen hätte er eine andere Verhältniszahl angesetzt, um die Versorgung zu stärken. Er sei zuversichtlich, dass dieses Vorhaben auch in einem neuen Koalitionsvertrag verankert werde. Auch sei es grundsätzlich illusorisch zu glauben, dass die Psychotherapeut*innen in der Stadt die Speckgürtel mitversorgen könnten. Da Psychotherapie ein langfristiger Prozess sei, trage diese Mitversorgungsfiktion nicht mehr. Hier und in den ländlichen Regionen müssten die Verhältniszahlen in der Bedarfsplanung angepasst werden. Man müsse jedoch maßvoll agieren. Die einzelne Psychotherapeut*in steuere die Versorgung, daran habe er keine Zweifel. Notwendig sei aber, sich Gedanken zu machen, wie man den Patient*innen Zugang zur Versorgung ermöglichen könne, die bisher die Sprechstunde gar nicht erreichten oder keinen Therapieplatz erhielten. Hecken lud die Profession ein, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Sein Vorschlag sei, gerade auch mit Blick auf die halben Versorgungsaufträge, einen bestimmten Anteil für die Versorgung von Patient*innen mit bestimmten Diagnosen und Schweregraden vorzusehen. Das könnten etwa Patient*innen in akuten Krisen nach der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischem oder psychotherapeutischem Behandlungsbedarf (KSVPsych-Richtlinie), mit postnataler Depression oder auch Patient*innen mit Sprachbarrieren sein. Das erfordere aber eine differenzierte Einschätzung und eine ausgefeilte Steuerung, damit die Patient*innen in die richtige Versorgungsform und -ebene geleitet würden. Im Rahmen einer sektorenübergreifenden Versorgung hielt Hecken auch eine Stärkung der Rolle von Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) für wichtig.
Nachbesserungsbedarf sehe er auch bei der KSVPsych-Richtlinie, die seiner Meinung nach viel zu kompliziert sei. Die Anzahl der Netzverbünde sei gegenüber der Zahl der bereits bestehenden Netze nicht gewachsen. Hecken regte an, insbesondere die halben Versorgungsaufträge mit einzubeziehen, die Teamgrößen anzupassen und die Vorgabe der Einbindung der Krankenhäuser zu überdenken. Dabei könne die KSVPsych-Richtlinie bei Kindern und Jugendlichen als Vorbild genutzt werden. Denn hier habe man die Hürden von vornherein vermieden.
Mit Blick auf das Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante Psychotherapie beklagte Hecken, dass es keine Akzeptanz schaffe, wenn man im Rahmen der Qualitätssicherung Aspekte abfrage, die für die Versorgung irrelevant seien, oder an Indikatoren festhalte, die allein bereits etablierte Standards abbildeten. Problematisch sei zudem, dass es bei vielen anderen QS-Verfahren im Laufe der Jahre nicht gelungen sei, eine adäquate Risikoadjustierung vorzunehmen und die Indikatoren entsprechend weiterzuentwickeln. Deshalb ermutige er die Profession, sich beim QS-Verfahren ambulante Psychotherapie unter Rückgriff auf den Innovationsfonds um eine unabhängige externe Evaluation zu bemühen. Dabei könnte auch ein Vorschlag für einen alternativen Ansatz der Qualitätssicherung untersucht werden. Für ihn sei aber auch klar, dass bei aller Individualität der Patient*innen und Behandlungen das Prinzip der Qualitätssicherung auch in der Psychotherapie gelte.
Mit Blick auf die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-Richtlinie) betonte Hecken, dass seit Inkrafttreten dieser Richtlinie die ohnehin geringen Anforderungen, für die der G-BA seinerzeit scharf kritisiert worden sei, nicht erfüllt würden. Hecken kündigte an, dass er die Ergebnisse der EPPIK-Studie zum Plattform-Modell in eine neue Richtlinie übertragen wolle. Wenn verlässliche Anhaltszahlen vorlägen, müssten sie gegebenenfalls stufenweise in die Regelversorgung einfließen, um eine realistische Umsetzung zu erzielen. Gleichzeitig müsse die Nicht-Erfüllung der Qualitätsanforderungen mit Sanktionen belegt werden.
Hecken betonte, dass es nicht darum gehe, Psychotherapeut*innen vorzuwerfen, sie behandelten die falschen Patient*innen. Ihm gehe es um gute Lösungen für die Versorgung akuter Fälle, die bisher im Gesundheitswesen unter- oder sogar unversorgt blieben. Aus diesem Grund sei eine Priorisierung erforderlich. Er habe dazu erste Überlegungen entwickelt, sei aber offen für Vorschläge aus der Profession. In den kommenden zwölf Monaten müsse man hier aber zu Lösungen kommen. Er habe sich sehr über die Einladung zum 45. DPT und auf die Diskussion gefreut, denn es sei das gemeinsame Interesse, eine gute Patientenversorgung zu sichern.
In der anschließenden Diskussion betonten die Delegierten, dass sie die Steuerung der Patientenversorgung sehr ernst nähmen, und zeigten gleichzeitig deren Grenzen auf. Es dürfe nicht allein die Diagnose zugrunde gelegt werden; auch Faktoren wie der Erhalt oder die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die Symptomschwere und die Funktionsbeeinträchtigungen müssten in diese Überlegungen einbezogen werden. Auch die grundversorgende Psychotherapie, aufsuchende Angebote und Gruppenangebote müssten stärker in den Blick genommen werden. Dringend notwendig sei die Stärkung der Prävention psychischer Erkrankungen.
Klinikversorgung für Patient*innen zukunftsfest und flexibel ausgestalten
Über die Perspektiven für die Klinikversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen referierte Prof. Dr. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung. Die Anzahl der Krankenhausbehandlungen in Deutschland sei, so Bschor, auch im internationalen Vergleich viel zu hoch. Dies sei auch angesichts des Fachkräftemangels nicht länger leistbar. Er zeigte auf, dass es zu viele Krankenhausbehandlungen gebe und die hohe Anzahl an Patient*innen nicht mehr mit dem zur Verfügung stehenden Personal versorgt werden könne. Angesichts des demografischen Wandels verschärfe sich die Lage zunehmend. Gleichzeitig führten die hohen Gesundheitsausgaben insgesamt aber nicht zu einer besseren Lebensqualität und höheren Lebenserwartung. Die Krankenhausreform ziele deshalb darauf ab, die Klinikversorgung sicherzustellen und gleichzeitig die Behandlungsqualität zu steigern.
Grundsätzlich gelte für Psychiatrien die gleiche Ausgangslage wie für die Somatik. Sie sei der drittgrößte bettenführende Bereich, nach innerer Medizin und Chirurgie. Während in anderen europäischen Ländern Psychiatrie-Betten abgebaut wurden, gab es in Deutschland wieder einen Zuwachs. Die Psychiatrieversorgung zeichne sich durch die sektorisierte Pflichtversorgung aus. Man könne darüber diskutieren, ob die bevölkerungsbezogene Beplanung zu niedrig oder zu hoch angesetzt sei. Fakt sei aber auch, dass in anderen Fächern eine derartige Planung gar nicht gegeben sei. Anders als in anderen Bereichen gebe es seit Jahrzehnten Personaluntergrenzen. Dabei mangele es vor allem bei der pflegerischen und ärztlichen Versorgung an Fachkräften. Bschor zufolge könnten Psychotherapeut*innen hier mehr Verantwortung übernehmen, um den Fachkräftemangel auszugleichen. Das bedeute aber auch, dass sie mehr Pflichten, wie Nacht- und Notdienste, übernehmen müssten. Das werde in einigen Kliniken bereits gelebt und funktioniere gut, es sei aber noch nicht in die Fläche getragen.
Er kritisierte, dass die stationären und teilstationären Behandlungsangebote separiert nebeneinanderstünden. Dadurch sei die Patientenversorgung nicht flexibel gestaltbar. Auch seien stationäre und ambulante Angebote viel zu wenig miteinander verzahnt. Klinik, PIA, stationsäquivalente Behandlung, Modellprojekte und ambulanter Bereich müssten ineinandergreifen. Die Patient*in solle das Angebot erhalten, das sie brauche. Bschor sieht im Globalbudget ein geeignetes Mittel, um die regionale Versorgung sektorenübergreifend zu gestalten. Die PIA müssten nach dem bayerischen Modell weiterentwickelt werden und eine Einzelleistungsvergütung erhalten. Dieses von Baden-Württemberg bereits übernommene Modell könnte Bschor zufolge dazu beitragen, dass Betten in der Psychiatrie abgebaut werden. Er sehe hier keine Konkurrenz zum niedergelassenen Bereich, denn die hohe Anzahl an Patient*innen sei nur gemeinsam zu bewältigen. Vielmehr könne die Einzelleistungsvergütung die Bedeutung der psychotherapeutischen Versorgung und die Stellung der Psychotherapeut*innen, inklusive der Abbildung der psychotherapeutischen Befugnisse, in den PIA stärken.
Die Delegierten forderten in der folgenden Diskussion, dass die psychotherapeutischen Kompetenzen in den Kliniken endlich äquivalent zum ambulanten Bereich abgebildet werden. Bschor unterstützte dies und erklärte, dass man das nicht am „Dürfen“ festmachen dürfe, sondern an den Kompetenzen. Das „Dürfen“ müsse man entsprechend anpassen.
Gebührenordnung für Psychotherapeut*innen
BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop erläuterte in seinem Vortrag den dringenden Novellierungsbedarf bei der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP) und damit der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), auf die die GOP verweise. Schon bei der letzten Teilnovellierung der GOÄ im Jahre 1996 sei die Gebührenordnung von eklatanten Mängeln geprägt gewesen. Als Beispiel nannte er die fachlich nicht nachvollziehbaren Vergütungsunterschiede zwischen den Psychotherapieverfahren im Einzel- und Gruppensetting. Schlimmer noch habe die GOP seit nunmehr fast 30 Jahren keine Änderung mehr erfahren – weder hinsichtlich des psychotherapeutischen Leistungsspektrums noch der Bewertung der Leistungen. In der Folge sei das Leistungsspektrum der modernen Psychotherapie nur noch unzureichend abgebildet worden und die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen sei gegenüber jener in der GKV-Versorgung erheblich zurückgefallen. Dies sei ein Beispiel von Politikversagen, wie es auch Prof. Dr. Jürgen Wasem im April 2024 bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur GOÄ treffend formuliert habe.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) komme seiner genuinen Aufgabe als Verordnungsgeber seit über einem Vierteljahrhundert nicht nach. Seit nunmehr 15 Jahren laufen die Beratungen mit PKV-Verband und Beihilfe über eine neue GOÄ. Auf den Entwurf eines neuen Leistungsverzeichnisses habe man sich bereits im Jahr 2017 verständigt. Seit 2021 liege auch die ärzteeigene Bewertungsversion einer neuen GOÄ vor. Im September 2024 habe die Bundesärztekammer schließlich den Verbänden und Fachgesellschaften einen mit dem PKV-Verband und der Beihilfe auch hinsichtlich der Bewertungen der Leistungen konsentierten Entwurf einer neuen GOÄ vorgestellt. Nachdem insbesondere die operativen und technischen Fächer die aktuelle Entwurfsfassung abgelehnt und Nachbesserungen eingefordert hatten, fänden derzeit weitere professionsinterne Beratungen statt; die Übergabe eines konsentierten Vorschlags für eine neue GOÄ an das BMG sei verschoben worden. Ob sich die Ampelkoalition und der Bundesgesundheitsminister dieser Aufgabe überhaupt angenommen hätten, sei angesichts des Koalitionsvertrags und der bisherigen Positionierungen ohnehin fraglich gewesen. Umso wichtiger sei es, dass sich dieses Anliegen im Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung wiederfinde. Hierfür werde sich die BPtK einsetzen. Ob und wann eine Novellierung der GOÄ und damit der GOP erfolgen werde, sei jedoch zurzeit völlig offen.
Melcop betonte, dass er angesichts dieser Situation sehr froh sei, dass es gelungen sei gemeinsame Abrechnungsempfehlungen für neue psychotherapeutische Leistungen zwischen PKV-Verband, Beihilfe, BPtK und Bundesärztekammer als eine Art Brückenlösung zu vereinbaren. Hierdurch könnten nun Leistungen wie die psychotherapeutische Sprechstunde, die psychotherapeutische Akutbehandlung, aber auch die psychotherapeutische Kurzzeittherapie als Einzel- und Gruppenbehandlung bei Privatversicherten und Beihilfeberechtigten erbracht und bei deutlich verbesserter Vergütung abgerechnet werden. Auch für diagnostische Leistungen, Kurzinterventionen oder die Einbindung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die psychotherapeutische Behandlung seien gute Lösungen gefunden worden.
Nachdem auch Hamburg den Abrechnungsempfehlungen beigetreten sei, befände man sich auf einem guten Weg, diese auch im Bereich der Landesbeihilfe systematisch umzusetzen. Zugleich wisse man, dass es trotz der Zustimmung in manchen Bundesländern noch Probleme bei der Umsetzung gebe. Hier werde man den Druck weiter aufrechterhalten und auf eine vollständige Umsetzung drängen.
Melcop erläuterte, dass mit diesen Abrechnungsempfehlungen nicht alle Probleme gelöst werden konnten. Auch seien in manchen Bereichen Nachbesserungen erforderlich. Das gelte unter anderem für die Bezugspersonenstunden in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und bei Patient*innen mit geistiger Behinderung, für Mehrfachsitzungen bei Expositions- oder traumafokussierten Behandlungen, für die Systemische Therapie oder für die Vergütungsunterschiede zwischen den Verfahren. Die Verhandlungspartner*innen hätten eine Überprüfung der Abrechnungsvereinbarungen nach einem Jahr vereinbart, um dann auch aufgetretene Nachbesserungsbedarfe zu klären. Die BPtK werde sich im Vorfeld mit den Fachgesellschaften und Verbänden über mögliche Nachjustierungen austauschen.
In der anschließenden Aussprache begrüßten die Delegierten die Vereinbarung der gemeinsamen Abrechnungsempfehlungen als eine wichtige Verbesserung. Beklagt wurde, dass es in einigen Bundesländern wie dem Saarland bei Beihilfeberechtigten immer wieder zu Problemen komme. Die Abrechnungsempfehlungen würden nicht umgesetzt, obwohl das Bundesland diesen beigetreten sei.
Die Delegierten dankten dem Vorstand für den langen Atem
bei den Verhandlungen, die Durchführung der Informationsveranstaltungen und die
Unterstützung der Landeskammern auch mit Blick auf die vielen Nachfragen zu den
Abrechnungsempfehlungen, die von der BPtK beantwortet und darüber hinaus bei der
Durchführung der Online-Informationsveranstaltungen adressiert worden seien. Die
Delegierten begrüßten, dass Nachbesserungsbedarfe bereits identifiziert wurden
und ein weiterer Austausch geplant sei.
Weiterbildung umsetzen und die Ausbildungsreform beenden
Cornelia Metge, Mitglied im BPtK-Vorstand, wies in ihrer Einführung auf das große Engagement der gesamten Profession hin, die Ausbildungsreform jetzt mit der Weiterbildung von Psychotherapeut*innen zu vollenden. Das vergangene halbe Jahr seit dem letzten DPT in Würzburg sei von zahlreichen Aktivitäten und hoher Geschlossenheit geprägt gewesen. Studierende, Psychotherapeut*innen in Ausbildung, Verbände und Kammern hätten sich geschlossen für gemeinsam entwickelte Lösungen zur Finanzierung der Weiterbildung eingesetzt. Das Scheitern der Ampelkoalition kurz vor den parlamentarischen Beratungen und Entscheidungen zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GSVG) sei deshalb für die Profession ein Tiefschlag, der ein den neuen Umständen angepasstes Handeln erfordere. Die angemessene Qualifizierung von Psychotherapeut*innen und die Versorgung der Patient*innen müssten sichergestellt werden, auch wenn eine Regierung wechselt, mahnte Metge.
Trotz weiterhin bestehender Unsicherheiten bei der Finanzierung der Weiterbildung engagiere sich der Berufsstand weiter für die Vollendung der Ausbildungsreform. Im Sommer seien die neuen Weiterbildungen nun bundesweit in den Psychotherapeutenkammern geregelt. Zudem hätten die neuen Weiterbildungsgremien der BPtK ihre Arbeit aufgenommen. Im Oktober habe die erste Weiterbildungskonferenz im neuen Format getagt – mit positiver Resonanz.
Metge zeigte, dass es Stand Oktober 2024 bundesweit 113 zugelassene Weiterbildungsstätten und 183 laufende Zulassungsanträge von Weiterbildungsstätten sowie 185 zugelassene Weiterbildungsbefugte und 357 Zulassungsanträge in Bearbeitung gibt. Alle Fachgebiete und alle Versorgungsbereiche seien abgedeckt. Das bedeute, dass sich die Arbeit von BPtK und Landeskammern im ständigen Austausch mit den Trägern und Verbänden potenzieller Stätten bereits ausgezahlt habe. Trotzdem müsse die Profession weiterhin an vielen Stellen dicke Bretter bohren, vor allem im institutionellen Bereich. Zu den ausgewiesenen Stätten und zugelassenen Befugten schränkte Metge ein, dass eine Zulassung nicht automatisch bedeute, dass Weiterbildungsstellen angeboten werden können. Viele Zulassungen erfolgten unter dem Vorbehalt, dass die Stätten den Psychotherapeut*innen in Weiterbildung ein angemessenes Gehalt zahlen können. Deshalb müsse trotz des Endes der Ampelkoalition und der anstehenden Neuwahlen weiterhin dafür geworben werden, dass alle bestehenden Spielräume genutzt werden, um jetzt noch die notwendigen gesetzlichen Regelungen für eine angemessene Finanzierung der Weiterbildung festzuzurren. Zugleich müsse sich die Profession darauf einstellen, dass Bundestag und BMG ihrer Verantwortung für die Vollendung der Ausbildungsreform und die Sicherstellung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in dieser Legislaturperiode nicht mehr gerecht werden. Sollte dieser Fall eintreten, müsse die Profession gemeinsam nach angemessenen Lösungen suchen. Die BPtK werde allen Beteiligten diesbezüglich ein Verfahren vorschlagen.
Auftrag zur Erarbeitung einer Bereichsweiterbildung Hypnotherapie
BPtK-Vorstand Cornelia Metge und Dr. Christina Jochim, Sprecherin der Weiterbildungskommission, stellten Änderungen in der Muster-Weiterbildungsordnung für Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sowie der Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen vor. Diese Änderungen hätten sich aus dem Umsetzungsmonitoring und der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen in den zuständigen BPtK-Gremien in Abstimmung mit den Landeskammern ergeben, um zum Beispiel Unschärfen in den Ordnungen zu beseitigen. Der DPT stimmte allen Änderungen einstimmig oder mit sehr großer Mehrheit zu. Darüber hinaus beauftragten die Delegierten die Weiterbildungskommission der BPtK, eine Bereichsweiterbildung Hypnotherapie für die Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen und die Muster-Weiterbildungsordnung für Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen zu erarbeiten.
Mit der Vorlage von Anträgen zur Regelung verfahrensspezifischer Kompetenzen in den Bereichen Spezielle Psychotherapie bei Diabetes und Spezielle Schmerzpsychotherapie beendete die Kommission Zusatzqualifizierung der BPtK ihren letzten Arbeitsauftrag. Barbara Lubisch erläuterte dazu den zurückliegenden, von der Kommission moderierten Diskurs. Am Ende votierte der DPT mit knapper Mehrheit dafür, in dieser Bereichsweiterbildung keine spezifischen Kompetenzen wissenschaftlich anerkannter Psychotherapieverfahren zu regeln. Metge dankte den Mitgliedern der Kommission und ihrem Sprecher, Dr. Bruno Waldvogel, im Namen des gesamten Vorstandes für die in den vielen Jahren geleistete wertvolle Arbeit, mit der sie maßgeblich zur Weiterentwicklung der Weiterbildungsordnungen beigetragen hätten und dabei Wegweiser für die Qualifizierung und Spezialisierung der Psychotherapeut*innen gewesen seien.
Jahresabschluss 2023 und Haushaltsplan 2025 verabschiedet
Der Vorsitzende des Finanzausschusses der BPtK, Rudi Bittner, stellte den Jahresabschluss der BPtK für das Jahr 2023 und dessen Bewertung durch den Ausschuss vor. Die Delegierten nahmen den Jahresabschluss einstimmig an und entlasteten ebenfalls einstimmig den Vorstand der BPtK für das Haushaltsjahr 2023.
BPtK-Vorstand Wolfgang Schreck stellte den Haushaltsplan für 2025 vor. Bittner erläuterte die Diskussionen, die im Finanzausschuss hierzu geführt worden seien, und erklärte, dass der Finanzausschuss einstimmig die Annahme des Haushalts empfehle. Die Delegierten des 45. DPT folgten dieser Empfehlung und stimmten dem Haushaltsplan für das Jahr 2025 einstimmig zu.
Vom 45. DPT verabschiedete Resolutionen
Abschließend verabschiedeten die Delegierten die folgenden Resolutionen jeweils mit sehr großen Mehrheiten:
- Keine Pseudo-Qualitätssicherung, keine zusätzliche Bürokratie! Gesetzlichen Auftrag für das QS-Verfahren Ambulante Psychotherapie streichen!
- Wahltaktische Interessen überwinden: Maßnahmen für psychisch gesundes Aufwachsen und Kinderschutz prioritär behandeln und jetzt umsetzen!
- Gleichstellung voranbringen! – Mutterschutzleistungen für selbstständige Psychotherapeutinnen schaffen!
- Psychisch erkrankte Menschen brauchen jetzt Reformen!
- Psychosoziale Versorgung – Kahlschlag verhindern
- Für Vielfalt und Respekt: Gesellschaftlichen Zusammenhalt und psychische Gesundheit stärken